Geschichtliche Entwicklung der Gemeinde
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
Weißenbach (1900-1939) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Bestand Aloisia Ebner
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die wirtschaftliche Situation in der Gemeinde Ahrntal schlecht. Da es nur wenige Arbeitsplätze gab und die Wirtschaft im Ausland boomte, drohte die Landflucht. Viele junge Menschen wanderten nach Österreich oder Deutschland ab und ließen sich in vielen Fällen dort nieder. Der hohe Geburtenüberschuss in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg verschlimmerte die Situation am Arbeitsmarkt. Die hohe Kinderzahl veranlasste die Gemeinde seit den 1950er Jahren zum Bau von Grund- und Mittelschulen in den unterschiedlichen Ortschaften des Tales. Auch weitere öffentliche Einrichtungen wie Fußballplätze, Tennisplätze, ein Eislaufplatz, ein Eisplatz für die Eisschützen und ein Hallenbad wurden gebaut (Innerbichler 2006, S. 154-159).
1958 machte sich die Gemeinde Prettau selbstständig und bildet seither eine eigene Gemeinde, nachdem die einzelnen Gebiete des Ahrntales erst 1928 zu einer einzigen Gemeinde zusammengeschlossen wurden (Innerbichler 2006, S. 156).
St. Johann (1900-1939) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Bestand Aloisia Ebner
Seit den 1950er Jahren stieg der Besucherstrom der Talorte an. Dabei hielten sich die Fremden vor allem in den Sommermonaten in Luttach und Steinhaus auf. Ein Großteil der Wirte des Tales hat daraufhin in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Häuser vergrößert, wodurch die Bettenzahl des Ahrntales rasch anstieg. Trotzdem herrschte bis in die 1960er Jahre noch ein hoher Grad an Selbstversorgung vor. Die Bauern nutzten den Boden in Form einer Egartwirtschaft mit etwa 10-jährigem Umlauf und produzierten eine große Vielfalt an landwirtschaftlichen Produkten. Zudem betrieben sie vor allem Viehzucht, aber auch die Nutzung des Waldes und der Holzhandel stellten wichtige Einnahmequellen dar. (Rutz 1968, S. 174-185; Bevilacqua 1995)
Erst das zweite Autonomiestatut von 1972 brachte der Gemeinde Ahrntal einen wirtschaftlichen Aufschwung und dem Land neue Zuständigkeiten. Die Heimatverbundenheit und die hohen Förderungen von Seiten der Landesregierung konnten verhindern, dass die Bauern ihre Höfe aufgaben. Im Laufe der Jahre veränderte sich die Wirtschaftsweise der Bauern aber drastisch. Arbeitsintensive Landbautechniken wurden aufgegeben und viele Steilhänge, Almflächen und Bergmähder aufgelassen. In Gunstlagen wurde die Nutzung durch die aufkommende Mechanisierung intensiviert. Die Bauern spezialisierten sich auf die Milchproduktion. Die täglichen Milchtransporte wurden durch die Erschließung der einzelnen Berghöfe mit Beginn in den 1970er Jahren ermöglicht. Als Folge dieser Intensivierung verschwand der Ackerbau. Flächenauflassungen, aber auch die Intensivierung, wirken sich auf das Landschaftsbild aus. Um die maschinentaugliche Bewirtschaftung der Flächen zu ermöglichen, wurden Planierungen vorgenommen, Hecken und Flurgehölze entfernt und Feldwege gebaut. Intensivierungen, Entwässerungen und Brachlegungen verringerten die durch vielfältige Bewirtschaftungsweisen entstandene Pflanzenvielfalt, die Landschaft wurde eintöniger. Monotone Grünflächen herrschen heute vor. (Tasser 2007, S. 155-161)
Steinhaus (2006) Bearbeitung: Dusleag & Wanker; Datengrundlage: Autonome Provinz Bozen - Südtirol, Raumordnung
Zudem gewannen in den letzten Jahrzehnten neue Nutzungsformen, wie etwa die touristische Erschließung und Anlagen für die Energiegewinnung, immer mehr an Bedeutung. Durch die Eröffnung der Skigebiete Klausberg im Winter 1971 und Speikboden im Jahr 1973 konnte die bisher relativ kurze Sommersaison durch die Wintersaison ergänzt werden. Aus diesem Grund stiegen auch die Ankünfte und Übernachtungen stark an. Folglich sind viele Gastbetriebe ausgebaut und neue Hotels errichtet worden. Auch der Handel und das Baugewerbe profitierten von dieser Entwicklung und erlebten einen Aufschwung. Handwerks- und Gewerbebetriebe ließen sich in den eigens dafür eingerichteten Zonen nieder. Dadurch konnten immer mehr Ahrntaler in der eigenen Gemeinde einer Arbeit nachgehen. Die starke Abwanderung, die es aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage und infolge des Mangels an Arbeitsplätzen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab, wurde somit reduziert. Durch den ersten Bauleitplan aus dem Jahr 1975 wurden auch Zonen für den sozialen und geförderten Wohnbau ausgewiesen, die in den folgenden Jahren verbaut wurden. Diese Entwicklung hatte eine starke Ausdehnung der Siedlungsfläche zur Folge. (Innerbichler 2006, S. 161)
Nach wie vor werden viele Almflächen oberhalb der Waldgrenze beweidet oder als Bergmähder genutzt. Aber in den letzten Jahrzehnten wurden in der Gemeinde Ahrntal 30-40 % der ehemals bewirtschafteten Bergmähder und Almen aus der Nutzung genommen. Heute wird meist nur mehr Jung- und Galtvieh gesömmert. (Tasser 2007b, S. 171-177)
Ein Trend in der Tourismusbranche könnte der zunehmenden Auflassung von Almwiesen entgegenwirken: Die Nachfrage nach Bergheu stieg in den letzten Jahren durch den florierenden Wellnessbereich stark an. Nicht nur in diesem Bereich wird das Zusammenspiel zwischen Landwirtschaft und Tourismus sichtbar. Die Erweiterung des Naturparks Rieserferner auf große Bereiche der Gemeinde Ahrntal im Jahre 1995 ließ die Prämien für die Landschaftspflege ansteigen. Der Naturpark Rieserferner-Ahrn dient also zum Schutz und zur Erhaltung der traditionellen Natur- und Kulturlandschaft, trägt aber auch gleichzeitig zu einer hohen landschaftlichen Attraktivität der Alm- und Bergregion für die Touristen bei. Daneben spielt der Urlaub auf dem Bauernhof eine wichtige Rolle. Für etwa 15 % der landwirtschaftlichen Betriebe stellte der Urlaub auf dem Bauernhof im Jahr 2000 ein willkommenes Zusatzeinkommen dar. In etwa 43 % der bäuerlichen Betriebe betreiben die Landwirtschaft als Vollerwerb. Die anderen Landwirte gehen neben der Tätigkeit am eigenen Hof einer Arbeit in der Industrie, im Handwerk oder im Tourismus nach. (Tasser 2007b, S. 171-177; Rieder 2006, S. 327-334)
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