Kulturlandschaftswandel in Südtirol seit 1950

Christine Wanker, Alexander Dusleag

Home > Geographie > Kls > Naturns > Wandel der Kulturlandschaft > Geschichtliche Entwicklung
Logo Projekt Kls Logo Provinz Bozen Logo Abteilung Natur und Landschaft

Geschichtliche Entwicklung der Gemeinde

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

Der Erwerbsobstbau begann in der Gemeinde Naturns bereits mit dem Bau der Vinschgerbahn von Meran nach Mals zwischen 1903 und 1906, doch die beiden Weltkriege bremsten die Entwicklung des Untervinschgaus zum Obstbaugebiet.

Foto Bildvergleich Fotostandort

Naturns (vor 1930) © Fotoarchiv Robert Fliri, Foto Fränzl, Bozen

Topographische Karte Fotostandort

Erst in den 1960er Jahren löste die Einführung der Beregnung mit gleichzeitiger Auflassung der Berieselung durch das Waalsystem einen großen Entwicklungsschub aus, der auch mit Meliorierungen des Talbodens einher ging. Auch die Mechanisierung der Arbeiten führte zu großen Fortschritten und Erleichterungen. 1965 wurde die Obstgenossenschaft Naturns (NOG) gegründet, der die Untervinschger Obstgenossenschaft (UVO) vorhergegangen war. Mit den technischen Neuerungen hat sich im Laufe der Jahre die Sortenvielfalt des Kernobstbaus erheblich verringert. In den 1950er Jahren wurden noch zahlreiche verschiedene Apfel- und Birnensorten sowie Aprikosen, Zwetschgen und Pfirsiche angebaut. Durch Anpassung an die Konsumgewohnheiten dominieren heute drei Apfelsorten: Golden Delicious, Jonagold und Red Delicious.

Grundlegend verändert haben sich in den letzten drei Jahrzehnten die Baum- oder Erziehungsformen. Seit Ende der 1960er Jahre setzten sich verstärkt bodennahe schwachwüchsige Bäume, die sehr dicht aneinander gepflanzt werden, gegenüber den großen Baumformen des Streuobstbaus durch. Folglich ging die Kombination von Obstbau und Viehhaltung zurück und die Zahl der rinderhaltenden Betriebe nahm ab. Durch die Ausdehnung des Obstbaus im Talboden wurde auch der Ackerbau aus der Talsohle verdrängt. Der Übergang zu reinen Obstkulturen hat das Landschaftsbild stark verändert.

Im Gegensatz zu den Landbauern, die heute intensiven Obstbau im Talbereich betreiben, gibt es in Naturns viele Bergbauern, die mit verschiedenen Erschwernissen zurecht kommen müssen. Für die Existenz dieser Bauern, spielte das Wasser im Laufe der Geschichte vor allem auf dem Sonnenberg eine entscheidende Rolle. Der Bau kilometerlanger Waale über Jöcher und aus Nebentälern, dokumentiert die hohe Bedeutung des Wassers. In den 1960er Jahren kam man auf den Berghöfen von der Selbstversorgung ab und wandte sich immer stärker der Marktwirtschaft zu. Im Zuge dieser Entwicklung wurden nach und nach alle Äcker zugunsten der Viehhaltung in Wiesen umgewandelt, wodurch die Mühlen ihre Bedeutung verloren. In den folgenden Jahren drohte eine Entsiedlung der Berggebiete aufgrund der prekären Infrastruktur (fehlende Zufahrtswege, keine Strom- und Wasserversorgung). Nur durch massive landwirtschaftliche Fördermaßnahmen konnten Strukturverbesserungen erreicht und die Auflassung zahlreicher Berghöfe verhindert werden. Die Umstellung auf die weniger arbeitsintensiven Monokulturen hatte zur Folge, dass seither vor allem Kleinbauern einer außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung nachgehen und ihren Hof als Nebenerwerb bewirtschaften oder diesen an andere Bauern verpachten. Generell wurden im Zuge dieser Entwicklung weniger Arbeitskräfte in der Landwirtschaft gebraucht, sodass diese für andere Sektoren zur Verfügung standen. (Gritsch 1979; Fischer 2002; Leidlmair 1993; Leidlmair 1993b)

Die Einwohnerzahl der Gemeinde Naturns entwickelte sich seit den 1950er Jahren positiv. Dazu beigetragen haben Wanderungsgewinne, die auf den Zuzug vieler Bewohner aus den umliegenden Gemeinden und auf die Rückkehr von ausgewanderten Einheimischen zurückzuführen sind. Die hohe Zuwanderung war ein Zeichen dafür, dass Naturns ein attraktiver Wohn- und Arbeitsplatz war. Die zahlreichen Handwerks- und Gewerbebetriebe stellten schon seit jeher interessante Arbeitsstätten dar. Zudem sorgte die Ansiedlung von Industriebetrieben seit Beginn der 1960er Jahre für einen Anstieg der Beschäftigungsmöglichkeiten. Es handelte sich hierbei vorwiegend um umweltfreundliche Produktionsstätten.

Durch das Bevölkerungswachstum setzte vor 50 Jahren eine rege Bautätigkeit ein. Viele Wohnhäuser und Straßen wurden neu errichtet oder ausgebaut. Die baulichen Veränderungen im Landschaftsbild wurden durch die Realisierung des neuen E-Werkes in Kompatsch zwischen 1959 und 1963 verstärkt. Im Zuge der Bautätigkeit wurde die günstige Möglichkeit der Elektrifizierung der Berghöfe nicht wahrgenommen. Erst gegen Ende der 1970er Jahre wurden alle Bergbauern im Gemeindegebiet von von Naturns mit Strom versorgt. (Gritsch 1979; Fischer 2002; Leidlmair 1993; Leidlmair 1993b)

Foto Bildvergleich Fotostandort

Naturns (2008) © Christine Wanker

Topographische Karte Fotostandort

Zudem hat durch den Aufschwung des Tourismus eine beachtliche bauliche Entwicklung stattgefunden. Der Tourismus spielt seit Beginn der 1970er Jahre ein wichtige Rolle in Naturns. Durch die Realisierung einer hochwertigen touristischen Infrastruktur stiegen die Übernachtungen und Ankünfte in den letzten Jahrzehnten stark an. Positiv auf die Tourismuszahlen wirkt sich auch die lange Saison von April bis Oktober aus. (Fischer 2002, S. 268)

Heute ist Naturns ein Zentrum für Verwaltung, Bildung und Versorgung. Daraus ergibt sich eine hohe Arbeitsplatzzentralität, die sich in einer hohen Einpendlerzahl äußert. Das hohe Verkehrsaufkommen in Naturns, das sich aus der zentralen Lage des Ortes und den hohen Tourismuszahlen ergibt, wurde durch den Bau einer Umfahrungsstraße einschließlich zweier Tunnels im nörlichen Talbereich stark reduziert.

© Universität Innsbruck | Impressum | Aktualisiert am: 22.12.2008

Ankünfte

Darunter versteht man die Zahl der Gäste, die in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft finden.  Astat 2007b

Übernachtungen

Die Übernachtungen geben die Nächte an, die von den Gästen in Beherbergungsbetrieben verbracht worden sind.  Astat 2007b

Monokulturen

Auf einem Grundstück wird nur eine Pflanzenart angebaut.  Astat 2002

Arbeitsstätte

Die Arbeitsstätte ist eine Wirtschaftseinheit oder ein Teil davon und befindet sich in einem geografisch genau definierbaren Ort (bzw. ausgehend von diesem Ort) leisten eine oder mehrere Personen (als Teil- oder Vollzeitarbeit) Wirtschaftstätigkeiten für dieselbe Wirtschaftseinheit. Nach dieser Definition zählen folgende Orte zu Arbeitsstätten, vorausgesetzt, dass mindestens eine Person darin arbeitet: Agentur, Ambulatorium, Bar, Bergwerk, Büro, Freiberuflerbüro, Garage, Gasthof, Geschäft, Grube, Krankenhaus, Labor, Lager, Magazin, Restaurant, Schule, Werkanlage, Wohnung usw.  Astat 2005c