Geschichtliche Entwicklung der Gemeinde
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Landwirtschaft nach wie vor der wichtigste Wirtschaftssektor im Martelltal. Der marktorientierte Anbau ersetzte zwar im Laufe der Jahre die Selbstversorgung, nach wie vor leben die Menschen aber vorwiegend von den Erzeugnissen des Bodens und der Viehwirtschaft. (Istel 1967, S. 49)
Meiern gegen Zufrittspitze (1920-1933) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Fotograf Leo Bährendt
In der Gemeinde Martell wurden vor allem Roggen und Gerste, aber auch Kartoffel angebaut. (Istel 1967, S. 50; Perkmann-Stricker 1985, S. 100) Neben dem Ackerbau spielten auch die Grünland- und Viehwirtschaft eine wichtige Rolle. Die Grünlandwirtschaft ist aber aufgrund der geringen Niederschläge sehr stark von der Bewässerung abhängig. Die ursprüngliche Art der Bewässerung ist die Berieselung, bei der das Wasser durch Bewässerungskanäle den Wiesen zugeführt wurde. Seit den 1960er Jahren wurden vermehrt Wasserrohre unterirdisch verlegt, wodurch die künstliche Bewässerung eine immer größere Verbreitung erlangte. (Istel 1967, S. 52-55)
Bereits in den frühen 1980er Jahren waren viele Getreideäcker aus dem Landschaftsbild verschwunden und somit auch viele Backöfen und Mühlen. Statt der Getreidefelder entstanden erste Erdbeer- und Johannisbeeranlagen und auch der Gemüseanbau (Grünsalat, Karfiol, rote Rüben) gewann an Bedeutung. Zudem wurden viele Ackerflächen in Wiesen umgewandelt, was gemeinsam mit den verbesserten Bewässerungsmöglichkeiten zu einem Anstieg der Heuernte und somit auch der Rinderzahl führte. Heute werden vor allem steile Flächen für die Grünlandwirtschaft genutzt, da diese nicht für den intensiven Anbau von Sonderkulturen und Gemüse geeignet sind. Der intensive Anbau von Erdbeeren hat sich in den letzten Jahrzehnten stark ausgebreitet. Seit 1990 vermarktet die Marteller Erzeuger Genossenschaft (MEG) die landwirtschaftlichen Produkte.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Stausee Zufritt geplant. 1950 begannen die Arbeiten und zum Teil waren bis zu 1000 Arbeiter, vor allem Italiener, am Stauseebau beschäftigt. Um die Erreichbarkeit der Baustelle zu verbessern, wurde die Straße ausgebaut. 1956 begann Wasser in den Stausee einzulaufen, das den Zufrittboden mit den beiden Almen sowie das Gasthaus Zufritt und das danebenstehende Wohnhaus unter sich begrub. (Perkmann-Stricker 1985, S. 78)
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren kaum Arbeitsmöglichkeiten im Tal vorhanden. Aus diesem Grund wanderten viele Jugendliche ab. Sie suchten außerhalb des Tales und im Ausland nach Arbeit und viele von ihnen kamen nicht mehr zurück. (Perkmann-Stricker 1985, S. 61) Trotz der Abwanderung entwickelte sich die Bevölkerungszahl in den 1950er und 1960er Jahren positiv, sodass im Jahre 1966 die 1000-Einwohner Grenze erreicht wurde. Diese Entwicklung ist auf die positive Geburtenbilanz zurückzuführen. Seither ging die Bevölkerungszahl zurück und stagniert seit einigen Jahren bei etwa 870 Einwohnern.
Neben dem Stauseebau wurden mit Beginn in den 1950er Jahren weitere Infrastrukturen realisiert. Im Jahre 1952 wurde in Martell mit der Wildbachverbauung begonnen. Während der letzten fünf Jahrzehnte verbaute das Land die verschiedenen Wildbäche und Gräben im Tal. (Perkmann-Stricker 1985, S. 132) Im Laufe der Jahre entstanden auch mehrere neue Straßenstücke, andere wurden ausgebaut und mit Gehsteig und Straßenbeleuchtung versehen. Zudem wurde zu Beginn der 1960er Jahre eine starke Siedlungsentwicklung im Bereich der Hauptstraße in Ennewasser und in der Gand verzeichnet. Auch in Meiern wurden in den folgenden Jahrzehnten viele Neubauten realisiert. Vor allem in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts herrschte in der Gemeinde ein regelrechter Bauboom. Seit Ende der 1970er Jahre wurden auch mehrere Sportanlagen realisiert. (Istel 1967, S. 47; Perkmann-Stricker 1985, S. 22, 67, 126-129, mündliche Mitteilung Herr Walder)
Meiern (1954-1956) Bearbeitung: Dusleag & Wanker; Datengrundlage: Autonome Provinz Bozen - Südtirol, Raumordnung
Ausschlaggebend für die Bautätigkeit war die positive Entwicklung des Tourismus. Bis zum Zweiten Weltkrieg besuchten nur wenige Gäste und Bergsteiger das Tal. Eine Ausnahme bilden die 1930er und 1940er Jahre, in denen das Zufallgebiet für den Wintersport erschlossen wurde und folglich zahlreiche Touristen anzog. In den Sommermonaten der 1960er und 1970er Jahre besuchten schließlich regelmäßig belgische Jugendgruppen das Tal. Sie mieteten leer stehende Häuser und Wohnungen und ließen sich dort nieder. Andere Gäste kamen vor allem aus Deutschland und Oberitalien, die sich in den Gasthöfen und Pensionen niederließen. Der Tourismus im Martelltal gewann immer mehr an Bedeutung, auch wenn das Tal mit Aufstiegsanlagen für den Wintersport nach wie vor unerschlossen ist. Einzig in den 1960er Jahren wurden einige Skilifte betrieben, die aber inzwischen aufgelassen worden sind. Heute dominiert der Fremdenverkehr im Sommerhalbjahr. Das Martelltal ist eine bekannte Wanderdestination und wird somit auch von vielen Tagesgästen besucht. (Perkmann-Stricker 1985, S. 136)
Das Tal ist aufgrund der großen Steilheit vielen Naturgefahren ausgesetzt. Bereits oft wurde das Tal durch Lawinen oder Gletscherseeausbrüche in Mitleidenschaft gezogen. Hinzu kommt die Katastrophe, die in der Nacht vom 24. auf den 25. August 1987 fast den gesamten Talboden einschließlich der dort liegenden Ortschaften zerstörte. In Folge starker Niederschläge führte ein Defekt der mechanischen Einrichtung an der Staumauer zu einem erhöhten Wasseraustritt mit verheerenden Folgen. In den folgenden Jahren wurde das Dorf Gand fast vollständig neu aufgebaut. (Pfitscher 1996)
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