Kulturlandschaftswandel in Südtirol seit 1950

Christine Wanker, Alexander Dusleag

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Geschichtliche Entwicklung der Gemeinde

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

In den 1950er Jahren setzte in Schenna ein Wandel ein, der die Gemeinde im Laufe der letzten 50 Jahre entscheidend prägte.

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Schenna (1931-1939) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Fotograf Leo Bährendt

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Nach dem Zweiten Weltkrieg war Schenna eine landwirtschaftlich geprägte Gemeinde, in der die Selbstversorgung im Vordergrund stand. Eng mit der Landwirtschaft hing auch das traditionelle Dorfhandwerk zusammen, das vor allem zur Herstellung und Reparatur von Arbeitsgeräten diente. Durch die fortschreitende Aufgabe der Selbstversorgung im Zuge der Mechanisierung und Kommerzialisierung der Landwirtschaft, wanderten viele bäuerliche Arbeitskräfte ab. Dies hatte die Auflösung des landwirtschaftlichen Sozialgefüges mit dem Hof als Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft zur Folge.

In diese Zeit fiel auch der Beginn des modernen Fremdenverkehrs. Nachdem noch zu Beginn der 1950er Jahre sehr bescheidene Ankunfts- und Übernachtungszahlen verzeichnet wurden (1951 24 Ankünfte und 242 Übernachtungen), erlebte die Tourismusbranche innerhalb kürzester Zeit einen rasanten Aufschwung und entwickelte sich zum wichtigsten Arbeitgeber in der Gemeinde. Eine wichtige Voraussetzung für den Anstieg des Fremdenverkehrs in Schenna war die erste richtige Straßenverbindung ab Obermais, die in den Jahren 1957 bis 1959 ausgebaut wurde. Ab Anfang der 1970er Jahre versuchte die Gemeinde, aufgrund des zunehmenden Fremdenverkehrs und des steigenden Wohlstandes, den Mangel an öffentlichen Einrichtungen durch gezielte Investitionen abzubauen. Dabei wurden unter anderem das Wegenetz, die öffentliche Beleuchtung und die Trinkwasserversorgung ausgebaut, sowie Sport-, Kultur- und Bildungsstätten realisiert.

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Schenna (Hauptort) (2006) Bearbeitung: Dusleag & Wanker; Datengrundlage: Autonome Provinz Bozen - Südtirol, Raumordnung

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Nicht nur die öffentliche sondern auch die private Bautätigkeit erfuhr einen Aufschwung, sodass in den 1960er und 1970er Jahren ein regelrechter Bauboom stattfand. Immer mehr Flächen wurden in Bauland umgewidmet um Hotels, Pensionen und Garnis zu bauen. Folglich nahm die landwirtschaftliche Fläche beständig ab. Vor allem Bauernsöhne, die als weichende Erben ein Grundstück geerbt hatten, errichteten einen Beherbergungsbetrieb. Aber auch Hofeigentümer, für die das Wirtschaftsgebäude im Zuge der strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft überflüssig geworden war, bauten anstelle der Scheune oder des Stalles einen gastgewerblichen Betrieb auf. Ein Großteil der neuen Häuser entstand dabei entlang der Straßen. Zudem lässt sich seit den 1970er Jahren ein starker Anstieg der Zu- und Umbauten beobachten, der in vielen Fällen in Verbindung mit der qualitativen Verbesserung steht.

Durch den Fremdenverkehr und der damit einher gehenden baulichen Entwicklung veränderte sich somit nicht nur die Wirtschaftsstruktur des Dorfes, sondern auch das Siedlungs- und Erscheinungsbild des Ortes. (Innerhofer 2002; Pircher Innerhofer 1997)

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Schloss Goyen gegen Nordwesten (1902-1939) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Fotograf Leo Bährendt

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Wir bereits kurz erwähnt, hat auch die Landwirtschaft einen erheblichen Strukturwandel erlebt. Die Selbstversorgung wurde durch die Marktorientierung der Landwirtschaft ersetzt. Folglich hat in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Spezialisierung der Bauern auf Obstbau in Lagen bis zu 700-800 Metern und auf Vieh- und Milchwirtschaft in den höheren Regionen stattgefunden. Getreidefelder und Futterwiesen mussten in einer Höhenlage bis zu 800 Metern immer öfter geschlossenen Obstanlagen weichen. Auch Rebflächen, die in Schenna eine lange Tradition besitzen, fielen zum Großteil dem Obstbau zum Opfer. Für den erfolgreichen Anbau der Äpfel ist die Bewässerung ausschlaggebend. Aus diesem Grund wurde das alte Bewässerungssystem mit den Waalen durch moderne Bewässerungsanlagen ersetzt. Dadurch wurde gemeinsam mit einer Reduzierung der Pflanzenabstände und der Stammhöhe sowie durch sorgfältige Pflegemaßnahmen, eine Intensivierung des Anbaus und damit eine Erhöhung der Erträge möglich. Heute stellt der erwerbsmäßige Obstbau für die Bauern in tieferen Lagen die wichtigste Einkommensquelle dar.

In den Berggebieten nahm die Bedeutung der Milchwirtschaft als Folge der Erschließung der Höfe durch Straßen und Seilbahnen zu. Erst durch eine bessere Erreichbarkeit konnten die täglichen Milchlieferungen durchgeführt werden. (Innerhofer 2002) Trotz struktureller Verbesserungen haben seit den 1960er Jahren sowohl die Betriebszahl als auch die landwirtschaftliche Fläche abgenommen. Die Rinderzahl hat hingegen bis in das Jahr 1990 zugenommen, seither aber eine Abnahme erfahren.

Die geschilderte Entwicklung zeigt eindrucksvoll, dass die Gemeinde Schenna den Übergang von einer bäuerlichen zu einer modernen Dienstleistungsgesellschaft in kürzester Zeit vollzogen hat. Dabei sind vor allem der Handel und das Handwerk sehr stark vom Tourismus abhängig. Ein weiterer Aspekt sollte nicht unberücksichtigt bleiben: Die erfolgreiche Tourismusbranche aber auch die intensive Landwirtschaft ließen den Wasserkonsum enorm ansteigen. Dies führte in den vergangen Jahren bereits mehrmals zu Nutzungskonflikten zwischen Touristikern und Landwirten.

Heute ist Schenna eine stark touristisch geprägte Gemeinde. Nach wie vor spielen aber auch Land- und Forstwirtschaft mit einem Anteil von 19,4 % an den Erwerbstätigen eine wichtige Rolle. Der sekundäre Sektor spielt eine untergeordnete Rolle. Dies zeigt auch die Tatsache, dass in der Gemeinde nur wenige, sehr kleine Gewerbegebiete vorhanden sind. Heute ist das Handwerk an die Entwicklung des Fremdenverkehrs gekoppelt. (Innerhofer 2002; Pircher Innerhofer 1997)

© Universität Innsbruck | Impressum | Aktualisiert am: 22.12.2008

Ankünfte

Darunter versteht man die Zahl der Gäste, die in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft finden.  Astat 2007b

Erwerbstätige

Personen mit 15 oder mehr Jahren aus der Wohnbevölkerung, welche selbstständig oder in einem Dienstverhältnis einer Tätigkeit nach gehen, durch die sie einen Ertrag oder eine Vergütung erhalten. Als erwerbstätig gelten auch jene, die ohne einen geregelten Arbeitsvertrag mit einem Familienmitglied mitarbeiten, welches eine selbstständige Tätigkeit ausübt (mithelfendes Familienmitglied).  Astat 2006b