Geschichtliche Entwicklung der Gemeinde
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
Kaltern von der Mendelstraße aus (1950-1969) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Fotograf unbekannt
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dominierte in der Gemeinde Kaltern die Landwirtschaft. Der Weinanbau hatte eine besonders lange Tradition, der Obstbau gewann zunehmend an Bedeutung. Zudem besaß jeder Bauer Vieh, Felder und Wiesen, damit die Versorgung der Familie mit wichtigen Lebensmitteln gewährleistet war. Die Heugewinnung fand nicht nur im Tal statt, sondern zum Teil auch auf der Mendel. Aus diesem Grund begaben sich alljährlich in den Sommermonaten viele Bauernfamilien aus Kaltern und Tramin mit ihrem Vieh auf die Mendel. Dabei wurden nicht nur die Wiesen der eigenen Gemeinde genutzt, die Landwirte pachteten von den Nonsberger Gemeinden für meist fixierte Termine das Nutzungsrecht für die graswirtschaftliche Bearbeitung der Bergmähder und Hochweiden. Der Aufenthalt wurde oft mit einem Erholungsurlaub verbunden. Als Behausung dienten Zelte, die nach dem Aufenthalt wieder abgebaut wurden. Um 1958 hielten sich immer noch 130 Familien ein bis zwei Monate lang auf der Mendel auf. (Fischer u. Leidlmair 1975, S. 351; Dissertori 1983; Sölva 1983; Sölva u. Andergassen 2003, S. 112-122)
Schon bald veränderte sich aber die Sommerfrische auf dem Mendelpass maßgeblich. Die Obst- und Weinbauflächen in Kaltern wurden weiter ausgedehnt und immer häufiger musste gegen Pilzkrankheiten und Schädlinge gespritzt werden. Gegen Ende der 1960er Jahre setzte die Mechanisierung der Landwirtschaft ein. Diese Entwicklung verdrängte die Viehhaltung fast vollständig aus der Gemeinde Kaltern. Dadurch verlor auch die Heunutzung auf der Mendel jegliche Bedeutung.
Parallel dazu gewann der Tourismus zunehmend an Bedeutung. Aus diesem Grund begannen viele Bauern, zur Erzielung eines Nebeneinkommens, Zimmer an Gäste zu vermieten. Da ein Großteil der Touristen in den Sommermonaten nach Kaltern kam, war ein ein- bis zweimonatiger Aufenthalt der Bauernfamilien auf der Mendel nicht mehr möglich. Mit dem Tourismus stieg der Wohlstand und folglich auch das Bedürfnis der Bevölkerung nach einem höherem Wohnkomfort. Aus diesem Grund wurden aus vielen Zelten auf der Mendel feste Holzbaracken und später gemauerte Sommerfrischehäuser. Da viele dieser Häuser ohne Baugenehmigung errichtet wurden, gibt es seit den 1980er Jahren rechtliche Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde Cavareno und den Sommerfrischlern. (Sölva u. Andergassen 2003, S. 121-122)
Nicht nur auf der Mendel, sondern auch in den Tallagen der Gemeinde Kaltern setzte eine rege Bautätigkeit ein. Im Zuge dieser Entwicklung wurden gesamte Ortsteile verbaut und die Siedlungsflächen ausgedehnt. Die starke Bautätigkeit im landwirtschaftlichen Grün trug dazu bei, dass sich die ehemals geschlossenen Siedlungen in der Umgebung von Kaltern zunehmend zu Streusiedlungen mit fließenden Übergängen entwickelten. Dadurch stieg die Zersiedelung erheblich an. Verstärkt wurde dieser Trend durch die seit zehn bis zwanzig Jahren steigende Zahl an geschlossenen Höfen. Je nach Alter des Besitzers reichen nämlich zwei bis drei Hektar Grund, um eine Hofstelle zu bauen. Die Landwirtschaft ist demnach sehr kleinstrukturiert. Die Nutzfläche zahlreicher Höfe ist so beschränkt, dass in Kaltern nur in etwa ein Drittel aller landwirtschaftlichen Betriebe im Haupterwerb geführt werden kann. Daher gehen viele Landwirte neben der Landwirtschaft noch einer Arbeit nach. Aus diesem Grund sind die Pendlerbeziehungen nach Bozen sehr ausgeprägt. Eine wichtige Einkommensquelle stellt auch der Urlaub auf dem Bauernhof dar, der in den letzten Jahren einen Aufschwung erfahren hat. (Fischer u. Leidlmair 1975 S. 349-350; mündliche Mitteilung Herr Sölva, Herr Andergassen, Herr Atz, Herr Schullian, Herr Angonese)
Kaltern gegen Montiggler Wald (1950-1969) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Fotograf unbekannt
Durch die positive Entwicklung des Fremdenverkehrs und den somit einsetzenden Massentourismus stieg die Anzahl der Beherbergungsbetriebe an. Zudem wurden in den letzten Jahrzehnten viele Ferienwohnungen gebaut und Hotels in Ferienwohnungen umgewidmet. In den 1960er und 1970er Jahren war die Nachfrage nach Zeitwohnungen, vor allem in Seenähe, sehr hoch. 1970 entstand die erste Gewerbezone.
Die Siedlungsausdehnung ist eng mit dem Ausbau der Verkehrswege und der öffentlichen Einrichtungen verknüpft. Bereits Anfang der 1960er Jahre wurde eine Umfahrung für das Dorf Kaltern gebaut. 1976 wurde auf der ehemaligen Bahntrasse Bozen-Kaltern, die 1971 endgültig aufgelassen wurde, eine weitere Umfahrungsstraße für den nach Kaltern fließenden Verkehr gebaut. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Verkehrswege weiter ausgebaut und öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Feuerwehrhallen, sanitäre Einrichtungen, Altersheime, Sportplätze, ein Museum und eine Bibliothek realisiert. Heute steht ein neues Projekt zur Diskussion, das den Bau einer neuen Straßenbahn zwischen Bozen und Kaltern vorsieht. (Sölva u. Andergassen 2003, S. 46, mündliche Mitteilung Herr Schullian)
Die Gemeinde Kaltern ist abseits des Siedlungsschwerpunktes zwischen Kaltern und St. Nikolaus nach wie vor landwirtschaftlich geprägt. Obst- und Weinbau werden in Form von Monokulturen intensiv betrieben. Der Tourismus spielt aufgrund der hohen Nächtigungszahlen eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Ein Großteil der Erwerbstätigen ist im tertiären Sektor beschäftigt. (Arge Alp 2007, S. 52-61; mündliche Mitteilung Herr Sölva, Herr Andergassen, Herr Atz, Herr Schullian, Herr Angonese)
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