Der Wandel aus der Sicht der Einheimischen
Höfe in Martell (1920-1933) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Fotograf Leo Bährendt
Das Martelltal war bis in die 1950er Jahre ein armes Seitental des Vinschgaus. Die Menschen lebten von der Landwirtschaft und waren Selbstversorger. Angebaut wurden Roggen und Gerste aber auch Kartoffeln. Die Jugendlichen wanderten zum Großteil ab, da es im Tal wie auch im restlichen Südtirol wenig Arbeitsplätze gab. Viele ließen sich in Deutschland, der Schweiz oder Österreich nieder. Erst mit dem Stauseebau zu Beginn der 1950er Jahre kam Bewegung ins Tal. Bis zu 1000 Arbeitskräfte hielten sich aus Arbeitsgründen im Tal auf, einige ließen sich nach der Fertigstellung des Stausees in der Gemeinde nieder. Aufgrund der hohen Abwanderung fehlten in der Landwirtschaft die nötigen Arbeitskräfte, sodass Rationalisierungen notwendig wurden. Getreidefelder wurden aufgelassen und erste Bauern versuchten ihre finanzielle Lage durch den Anbau von Erdbeeren und Johannisbeeren aufzubessern. Da der Anbau von Sonderkulturen erfolgreich verlief, dehnte sich die Anbaufläche im Laufe der Jahre auf den gesamten unteren Talbereich aus. Ausschließlich steile Flächen wurden für die Grünlandwirtschaft verwendet. Zudem gewann auch der Tourismus an Bedeutung. Eine erste Form des Tourismus war seit den 1960er Jahren der regelmäßige Besuch durch belgische katholische Jugendgruppen. Durch die Einnahmen aus dem Tourismus und dem Erdbeeranbau setzte gegen Ende der 1960er Jahre eine ausgeprägte Bautätigkeit ein. In den folgenden Jahren entstanden viele Wohnhäuser, aber auch Straßen, die die Erreichbarkeit der Höfe verbesserten. Mit dem Bauleitplan aus dem Jahre 1973 wurden zudem Wohnbauzonen sowie auch Gewerbegebiete ausgewiesen.
Meiern gegen Orgelspitze (2008) © Christine Wanker
Heute halten sich im Sommer nicht nur Touristen im Martelltal auf, sondern auch sehr viele Erntearbeiter. Diese stammen vorwiegend aus den Ländern Tschechien, Slowakei und Russland und sind auf den Höfen untergebracht. Der Anbau von Sonderkulturen und Gemüse wird heute intensiv betrieben. Die Marteller Erzeuger-Genossenschaft (MEG) ist für die Vermarktung der Produkte zuständig. Den intensiv genutzten Flächen stehen die Grünflächen an den steilen Hängen gegenüber. Diese werden heute weniger intensiv genutzt als früher. Dies ist daran erkennbar, dass die Zahl der Hecken in der Landschaft sehr hoch ist. Viele Landwirte bemühen sich die Hecken und Trockenmauern in einem guten Zustand zu halten, da es für die Erhaltung dieser Kulturlandschaftselemente Landesbeiträge gibt, die einen interessanten Nebenverdienst darstellen.
Die Waldnutzung ist gering. Durch die Abnahme der Weidewirtschaft kommt es zu einer Verdichtung des Waldes. Zudem breiten sich die Waldflächen aus, teilweise sind die Bestände überaltert und schwer erreichbar.
(Zusammengefasste Aussagen der befragten Personen E. Altstätter, A. Stricker-Perkmann, U. Walder)
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