Land- und forstwirtschaftliche Nutzung
Blick vom Pineihof im Weiler St. Jakob auf das Langkofelmassiv (um 1930) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Fotograf Leo Bährendt
Betrachtet man St. Ulrich in den 1950er Jahren, so wird deutlich, dass etwa 10 % der Gemeindefläche intensiv genutzt wurden. Der Wald nahm 3/5 der Fläche und die Almen etwa 1/5 der Fläche ein. Ödland war wenig vorhanden. Die obere Waldgrenze wurde durch die Weidewirtschaft bestimmt, so zum Beispiel auf Raschötz, wo der Wald bis auf etwa 2050-2100 m reichte.
Die Bergmähder wurden im Durchschnitt alle zwei Jahre gemäht. Viele St. Ulricher, die ein Grundstück auf der Seiser Alm besaßen, verpachteten es an Bauern aus Pufels oder Kastelruth, da durch die abnehmende Rinderzahl immer weniger Wiesen bestoßen wurden. (Lutz 1966, S. 262) Die Raschötz Alm wurde ausschließlich als Weide genutzt. Nur die Gemeinden St. Ulrich, St. Christina, Theis, Villnöß, Gufidaun und Lajen, die seit Jahrhunderten das Weiderecht auf Raschötz besaßen, konnten ihr Vieh auf dieser Alm weiden lassen. Im Durchschnitt wurden 450 Stück Galtvieh und Pferde aufgetrieben. (Lutz 1966, S. 241-251)
Der Wald wurde forstwirtschaftlich genutzt und nach Ende des Zweiten Weltkrieges gab es vermehrt Aufforstungen. So wurden zwischen 1945 und 1956 etwa 20 % der Waldfläche, vornehmlich im unteren Teil des Raschötzerwaldes, wieder bepflanzt. Ausschließlich der auf der orographisch linken Seite des Annatales gelegene Waldbestand, der fast zu Gänze als Bannwald gilt, wird nicht forstwirtschaftlich genutzt.
Der Wandel der Landwirtschaft wird an der Anzahl der Mühlen und Drechselbänke im Tal ersichtlich. Im Vergleich zum Ende des 19. Jahrhunderts, wo es noch 45 Mühlen und ein Dutzend Drechselbänke gab, waren in den 1950er Jahren nur noch acht Mühlen und zwei bis drei Dechselbänke vorhanden. (Lutz 1966, S. 62-82) Diese Entwicklung spiegelt den Rückgang der Ackerflächen wieder. Bereits in den 1960er Jahren waren seit der Jahrhundertwende in St. Ulrich mehr als 4/5 der Ackerfläche aufgegeben worden. Es wurden vor allem die dem Ortskern nahen Ackerflächen aufgelassen, da sie in vielen Fällen der Verbauung weichen mussten. Desto weiter man sich vom Zentrum entfernte, desto größer war die Zahl der Ackerflächen. In der Fraktion St. Jakob gab es im Jahre 1956 noch eine beträchtliche Anzahl an Ackerflächen.(Lutz 1966, S. 185)
Im Jahr 1956 wurden auf mehr als einem Drittel der Ackerparzellen Kartoffeln angebaut. Auf den restlichen Flächen wurde vor allem Gerste und auf klimatisch begünstigten Hängen sowie im Talraum auch Roggen angebaut. (Lutz 1966, S. 182 und 209) Seit Ende des Ersten Weltkrieges wurde vermehrt Feldfutter angebaut. Dies ermöglichte vielen Höfen, den Viehbestand zu vergrößern. Dadurch gab es mehr Stallmist, dessen Nutzung gemeinsam mit dem im allgemeinen vermehrten Einsatz von Kunstdünger, eine intensivere Bewirtschaftung der verbliebenen Getreidefelder ermöglichte. (Lutz 1966, S. 214)
St. Ulrich vom Hotel Hartmann in Richtung Talausgang (1950er Jahre) © Fotoarchiv Albert Moroder
Betrachtet man die Flur so wird deutlich, dass es in den 1950er Jahren in Oberwinkel wüste Flächen zwischen Acker und Wiesen gegeben hat, die zum Teil nur schütter mit Gras bewachsen waren. Die Äcker waren meist hangparallel angeordnet. (Lutz 1966, S. 115)
Im Jahr 1970 gab es in St. Ulrich noch einen Hektar Ackerfläche. Auch diese letzte Ackerfläche verschwand in den folgenden Jahren aus dem Landschaftsbild und seither wird in der Gemeinde ausschließlich Grünlandwirtschaft betrieben. Die Dauerwiesen und Weiden haben zwischen dem Jahr 1970 und dem Jahr 2000 um 37 % abgenommen, betrachtet man nur die Wiesen, so wird zwischen 1982 und 2000 ein Rückgang um 55 % ersichtlich. Dies ist hauptsächlich auf die fortschreitende Verbauung und Ausdehnung der Siedlung zurückzuführen.
Der Wald hat seit dem Jahr 1970 nur eine leichte Abnahme erfahren. Trotz dieser Tatsache ist eine Zunahme der Verbuschung im Siedlungsbereich erkennbar. Steile und schwer zugängliche Flächen werden nicht mehr oder nur noch extensiv bewirtschaftet und wachsen folglich zu.
Neben dem Rückgang der Grünflächen, ist auch die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe gesunken.
Jahr | Anzahl |
---|---|
1929 | 125 |
1961 | 129 |
1970 | 114 |
1982 | 107 |
1990 | 101 |
2000 | 89 |
Die Zahl der viehhaltenden Betriebe hat in den letzten Jahrzehnten im Vergleich zur Gesamtzahl der Betriebe stärker abgenommen. Im Jahr 1948 besaßen 121 landwirtschaftliche Betriebe Vieh, 1955 noch 81 von 104 landwirtschaftlichen Betrieben. Bis zu diesem Zeitpunkt besaßen die meisten Betriebe im Durchschnitt 1-2 Kühe. (Lutz 1966, S. 219-220) Seither sank die Zahl der rinderhaltenden Betriebe bis auf 29 im Jahr 2000 ab. Die Rinderzahl hat hingegen bis in das Jahr 1982 zugenommen. Seither ist ist sie leicht abgesunken und hat im Jahr 2000 das Niveau von 1959 mit 279 Rindern erreicht. Aufgrund der abnehmenden Betriebszahl bedeutet dies eine Zunahme der Rinderzahl pro Betrieb um mehr als das Doppelte von 3,7 Rinder pro Betrieb im Jahr 1959 auf 9,6 im Jahr 2000. Abgenommen hat hingegen die Fläche, die die Bauern bewirtschaften. Umgerechnet auf die rinderhaltenden Betriebe standen im Jahr 1982 11 Hektar Dauerwiese pro Hof zur Verfügung, im Jahr 1990 13 Hektar und zehn Jahre später 7,6 Hektar.
Neben dem Rückgang der Betriebszahl, veränderte sich auch die Verteilung der Betriebe nach Betriebstypen. Im Jahr 1982 waren knapp 70 % der Betriebe Nebenerwerbsbetriebe. Der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe an der Gesamtzahl der Betriebe stieg bis in das Jahr 1990 auf knapp 75 % ehe er im Jahr 2000 auf etwa 58 % absank. Dies ist auf die Aufgabe einiger Nebenerwerbsbetriebe und auf eine wieder steigende Zahl der Vollerwerbsbetriebe zurückzuführen. Einen Nebenerwerb stellt der Urlaub auf dem Bauernhof dar. Im Jahr 2000 boten vier von 89 landwirtschaftlichen Betrieben Urlaub auf dem Bauernhof an (Astat 2002).
Der Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe, die Umwandlung in Zu- oder Nebenerwerbsbetriebe und die zunehmende Mechanisierung bewirkten einen Rückgang der in der Landwirtschaft tätigen Personen. Im Jahr 1951 waren knapp 13 % der Erwerbstätigen im primären Sektor tätig, im Jahr 2000 nur noch 1,15 % (Istat 1955; 2006b).
Die landwirtschaftliche Gesamtfläche in der Gemeinde St. Ulrich blieb in den letzten 20 Jahren fast unverändert. Dies trifft sei es auf die landwirtschaftliche Fläche in der Gemeinde als auch auf jene in anderen Gemeinden zu. Die landwirtschaftliche Fläche in anderen Gemeinden besteht vorwiegend aus Almflächen, die in den meisten Fällen auf der Seiser Alm oder der Mastlé-Alm liegen. Betrachtet man die Größe der landwirtschaftlichen Fläche pro Betrieb, wird erkennbar, dass die meisten mehr als einen Hektar Nutzfläche besitzen. Nur ein kleiner Anteil der landwirtschaftlichen Betriebe hat weniger als 1 Hektar Nutzfläche oder verfügt über gar keine Nutzfläche.
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