Was bedeutet der Begriff Landschaft?
Die Landschaft ist seit Jahrzehnten Forschungsgegenstand zahlreicher Wissenschaften und ein Teil unterschiedlicher Lebensbereiche. So befassen sich unter anderem die Geographie, die Philosophie, der Natur- und Umweltschutz, die Land- und Forstwirtschaft aber auch die Malerei und Literatur mit der Landschaft. Aufgrund dieser Vielzahl an Wissenschaften ist auch eine Vielzahl an Bedeutungen des Begriffes Landschaft vorhanden, da es unterschiedliche Sichtweisen gibt und da jeder Bereich unterschiedliche Schwerpunkte setzt. Es gibt also verschiedene Ansätze zur Definition der Landschaft. Deren Entwicklung und einige Beispiele werden nun angeführt.
Die Entwicklung des Landschaftsbegriffs
Betrachtet man zunächst die Wurzeln des Wortes Landschaft so wird deutlich, dass die zweite Silbe des Wortes „schaft“ für das Verständnis wesentlich ist. Das aus den altgermanischen Sprachen stammende Wort „skapjan“ bedeutet soviel wie „schaffen“. Daraus wurde der abstrakte Begriff „skapi“ oder „skafti“ abgeleitet, welcher heute der Silbe „schaft“ entspricht und stets etwas Zusammengehöriges bezeichnet. Landschaft wäre somit ein „Land mit gemeinsamen Eigenschaften“. Zudem ist die Nachsilbe „schaft“ auch mit schaffen, schaben und dem englischen Begriff shape verwandt. Daraus kann man schließen, dass Landschaft als Ergebnis von Schaffen und Gestalten von Land gedeutet werden kann. (Haber 1991, S. 597; www.nfp48.ch)
Im Althochdeutschen wurde der Begriff Landschaft genauso wie das lateinische Wort „regio“ für Landesteil oder Gegend verwendet. Auch im Mittelhochdeutschen wurde der Begriff „lantschaft“ als genau umrissener Landstrich mit einer bestimmten Ausdehnung und somit als politisch fest umgrenzte Gegend benützt. Zudem diente der Begriff im Mittelhochdeutschen als Bezeichnung für die Bewohner einer Gegend. (Fischer 1993, S. 12 nach Job 1999, S.18; Tesdorpf 1984, S. 36-45)
Ab dem 15. und 16. Jahrhundert etablierte sich Landschaft als Fachbegriff in der Malerei. Es entstanden Landschaftsbilder, die nicht die Realität darstellten, da diese als unvollkommen wahrgenommen wurde. Mit diesen Bildern versuchte man den Idealzustand der Landschaft darzustellen und aufzuzeigen. Diese Sichtweise und Produktion von Landschaftsbildern reichte bis in das 19. Jahrhundert. Erst als die Beschreibungen der Dichtung und vor allem der Romantik auf diese Landschaftsbilder eingingen, erhielt der Begriff Landschaft einen ganzheitlichen Charakter, da die auf den Bildern dargestellte und von den Dichtern wahrgenommene Natur ausführlich beschrieben wurde. Der Begriff floss als Folge dieser Entwicklung gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts in die deutsche Allgemeinsprache ein und etablierte sich dort. (Gruenter 1953 nach Jessel 1995, S. 7; Tesdorpf 1984 S. 36-45)
Durch die Malerei übernahm die Dichtung die Sichtweise einer bildhaft-idealisierten Landschaft (Gruenter 1953 nach Jessel 1995, S. 8). Diese Sichtweise, die ihre Wurzeln in der Romantik hat, ist zum Teil bis heute erhalten geblieben. Landschaft wird heute meist mit den Begriffen schön, harmonisch, idyllisch, Stimmung, Freiheit und Sehnsucht in Verbindung gebracht. Kaum jemand denkt spontan an die Wörter hässlich, disharmonisch oder abweisend. (Hard 1970)
In den 1950er Jahren erklärte Carol die Geographie zur Wissenschaft der Landschaft. Er bezeichnet die Landschaft als horizontal beliebig begrenzbaren vertikalen Ausschnitt der Geosphäre, der nicht eine Summe oder Aufzählung zahlreicher Einzelelemente und Kräfte ist, sondern ein Komplex, in dem diese Einzelelemente verschmolzen sind. (Carol 1957)
Auch Schmithüsen beschäftigte sich mit der Landschaft, die er als konkreten Teil der Geosphäre von mehr oder weniger gleichartiger Beschaffenheit und von geographisch relevanter Größenordnung definierte. Eine ähnliche Definition erstellte Troll (1950), der unter Landschaft „eine Raumeinheit von bestimmtem Charakter [verstand], die durch Bild, Zusammenwirken und Lagebeziehung ihrer Erscheinungen geprägt wird“.
Laut Tesdorpf ist Landschaft „ein horizontaler und vertikaler Ausschnitt aus der Geosphäre mit der Gesamtheit an natürlichen und vom Menschen geschaffenen Beständen, die in einem geosynergetischen Wirkungszusammenhang (Systemzusammenhang) stehen“ (Tesdorpf 1984, S. 24-25).
Im Englischen definiert Hartshorne (1960, S. 23) Landschaft folgendermaßen: “Landscape is the external form of the earth surface under the atmosphere, comparable to the popular expression the face of the earth”.
Seit den 1970er Jahren wird die subjektive Landschaftswahrnehmung von der Wissenschaft verstärkt erforscht (Felber Rufer 2005, S. 34). Cosgrove geht davon aus, dass Landschaft eine Art ist, wie wir die Welt sehen, d.h. das Subjektive spielt in Bezug auf die Wahrnehmung eine zentrale Rolle. Er behauptet, dass die Landschaft ein ideologisch aufgeladenes, sehr komplexes kulturelles Produkt ist. (Cosgrove 1998)
In den 1990er Jahren wird der Landschaftsbegriff neu definiert; er wird auf neue, bisher „undenkbare“ Landschaften ausgeweitet. Er bezieht sich also nicht nur auf das Schöne und Liebliche sondern berücksichtigt auch das Störende oder die Gefahr einer Landschaft. Somit werden Einkaufszentren, Industriegegenden und urbane Gebiete zu Landschaften. (Urry 1995, S. 66) Breuste (1995) unterstützt die Ausweitung des Kulturlandschaftsbegriffes, da Stadtlandschaften und ihr Umland den Lebensraum von etwa 70-80% der Bevölkerung Mitteleuropas darstellen und die Auslagerung von städtischen Funktionen in das Umland einen großen Wandel hervorruft.
Laut Konold ist Landschaft das Zusammenspiel von belebter und unbelebter Natur, von Mensch, Tier und Pflanze sowie ein umfassender Lebens- und Siedlungsraum. Die gestaltenden und nutzenden Eingriffe des Menschen sowie das zeitweilige Unterlassen der Kulturtätigkeit, formten das Landschaftsbild im Laufe der Geschichte. Die Landschaft war somit schon immer in Veränderung. (Konold 1996)
Abschließend werden noch ein paar verschiedene Begriffsverwendungen angeführt.
- Landschaft als homogener, aus einzelnen real greifbaren Bestandteilen sich zusammensetzender Ausschnitt der Erdoberfläche, einer Gegend oder einer Region mit einer gewissen Ausdehnung (Jessel 1995, S. 8)
- Landschaft als kulturelles Gut, welches die ökonomischen, politischen und sozialen Machtverhältnisse widerspiegelt (Cosgrove 1998)
- Landschaft als Zusammenspiel von belebter und unbelebter Natur, von Mensch, Tier und Pflanze, als umfassender Lebens- und Sozialraum, der sich in ständigem Wandel befindet (Konold 1996)
- Landschaft als umfassende Beschreibung einer mit ähnlichen Eigenschaften ausgestatteten Erdgegend, die in unterschiedliche Typen (zB. Agrarlandschaft, Moränenlandschaft, Naturlandschaft und Kulturlandschaft) gegliedert werden kann (Jessel 1995, S. 8)
- Landschaft als abstrakter Begriff für eine komplexe Ganzheit, als Ausdruck von subjektiven Bedeutungen, Erinnerungen und Erwartungen der sich in übertragenen Bedeutungen wie „Gefühlslandschaft“, „politische Landschaft“, „Medienlandschaft“ oder „Seelenlandschaft“ niederschlägt (Jessel 1995, S. 8)