NUTS-3 Region Belluno (Italien)
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Es ist wenig erstaunlich, dass sich der Name "Belluno" von "Beleno" ableitet, also dem keltischen Gott der Sonne. Denn obwohl die italienische Provinz in ihren Hochlagen noch größere Gletscherflächen aufweist, profitiert sie klimatisch von der Lage weit südlich des Alpenhauptkamms. Belluno gehört zu den wenigen italienischen Nuts-3-Regionen, die vollständig auf Alpenkonventionsgebiet liegen, wobei beinahe der gesamte westliche Teil von den Dolomiten eingenommen wird (vergleiche etwa auch Bozen/Bolzano oder Trento). Der Gebirgsname lässt bereits auf den geologischen Aufbau schließen. Wie alle weiteren Gebirge Bellunos gehört auch diese Gruppe der geographisch übergeordneten Einheit der Südlichen Kalkalpen an. Die Marmolada (3.343m) stellt den höchsten Punkt der Provinz dar, der Ghiacciaio della Marmolada ist der einzige ausgedehnte Ferner der Dolomiten. Weitere bekannte Berge sind das imposante Tofanamassiv (3.243m), Monte Civetta (3.218m), Monte Pelmo (3.168m) oder die Tre Cime di Lavaredo/Drei Zinnen (2.998m). Das Val d'Ampezzo entlang des teilweise aufgestauten Flusses Boite bildet das breiteste Talsystem dieser Gegend. Im 114km² großen Naturpark "Dolomiti d'Ampezzo" (Natura 2000) sind beispielsweise Wolf, Steinbock und zahllose Murmeltiere zuhause. Zeitweilig können Bär, Luchs und Goldschakal beobachtet werden. Am Himmel kreisen Habicht, Sperber, Steinadler, Bartgeier und Schwarzmilan, zu den possierlicheren Arten zählen Alpensegler, Schneefink, Fichtenkreuzschnabel und Tannenhäher. Der Frauenschuh ist einer der botanischen Höhepunkte im 91km² umfassenden Natura 2000-Gebiet in den Dolomiten links des Boite. Zu den geschützten Bereichen weiter im Süden zählen die Riserva Naturale Monte Pelmo-Mondeval-Passo Giau und speziell auch der 151km² große Nationalpark "Dolomiti Bellunesi". Letzterer umschließt leuchtende Grasgipfel, rauschende Wasserfälle, beeindruckende Karstsenken und Kare. Faunistisch stechen Gämse, Mufflon, Berghase, Dachs, Hermelin und Wiesel unter den Säugern hervor. Schwanzlurche, diverse Frösche und Molche, Vipern, Ringelnattern und andere Schlangen dringen bis in die Höhenlagen vor. In der Vegetation dominieren alpine (Schwingelgras, Riedgras) vor nördlichen (Fichte, Latschenkiefer) und ost- und zentraleuropäischen Arten (Hainbuche, Eiche). Mediterrane (Lavendel) und subatlantische Spezies (Silberfichte) sind selten. Der Hauptfluss Piave entspringt südlich des Karnischen Hauptkamms (Monte Peralba/Hochweißstein: 2.694m) und fließt dann durch das Cadore in Richtung Adria. Das Gebirge an seiner Ostseite wird entweder als Südliche Karnische Alpen, gerne aber auch als Dolomiti Friulane/Friulanische Dolomiten bezeichnet (Cima dei Preti: 2.703m). Der Lago di Pieve di Cadore ist ein 8km langer Stausee mit 48 Mio. m³ Fassungsvermögen. Kurz vor dem Hauptort knickt die Piave nach Südwest und bildet hier eine breite Tal- und Auenlandschaft. Der Cordèvole mündet bei Mel in den Hauptfluss. Als einer der wenigen Flüsse der Provinz, die zur Brenta entwässern, ist der Cismon zu nennen. Südlich des Piavetals grenzen die Alpi Veneziane/Venezianer Alpen (Nevegal: 1.763m) die Nuts-3-Region vom Nachbarn Treviso ab. Hier liegt der Lago di Santa Croce, mit maximal 44m Tiefe, 4km Länge, 2km Breite und 8km² Oberfläche einer der größten Seen des Veneto. Die Klimastationen der Provinz Belluno offenbaren ein interessantes Bild: in zunehmender Entfernung von der Adria fallen weniger Niederschläge, und so führt die alpin-kontinentale Lage ganz im Norden auch zu mehr Sonnenschein und gleichzeitig zu relativ höheren Temperaturen. Die gemittelten Jahreswerte von Agordo (auf nur 611m Meereshöhe) mit 9,9°C und 1.307mm sowie Cortina d'Ampezzo (auf immerhin 1.275m) mit 7,3°C und 1.023mm veranschaulichen das deutlich. Die Bevölkerungsdichte der Provinz liegt bei 58 Einwohnern pro km², wobei die meisten Menschen in der Piaveebene im Süden leben und nur zwei Gemeinden als Städte gelten, nämlich Belluno und Feltre. Die geringe Arbeitslosenquote von 3,8% und das vergleichsweise hohe BIP/Kopf von 25.538 € (Rang 39 alpenweit) vermögen zu erstaunen. Arbeitsplätze schaffen im Sekundären Sektor vornehmlich Herstellung von elektrischen Geräten, Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten (dominant), Bauwesen, Maschinenbau, Metallproduktion, -bearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen sowie Textil- und Bekleidungsindustrie. Im Dienstleistungssektor dominieren die Branchen Handel und Instandsetzung, Gesundheit und Soziales, Immobilienwesen, Informatik, Forschung und Unternehmensdienstleistungen, Hotel- und Gaststättengewerbe sowie Erziehung und Unterricht. Der Dolomitenlandschaft verdankt Belluno seine touristische Stärke. Alleghe, Arabba, Cortina und Falcade zählen zu den bekanntesten Skistationen. Auf den Weltcup-Pisten der Tofana oder den Gletschern der Marmolada erlebt man Winterzauber vom Feinsten. Kleinere Skigebiete, wie Misurina, Nevegal oder Sappada/Ploden, stehen im Erlebniswert kaum nach und versprechen auch Langlauffreunden unvergessliche Tage. Die Dolomiten bieten Bergsportlern selbstverständlich auch im Sommer sämtliche Möglichkeiten. Der internationale Jet-Set trifft sich in Cortina d'Ampezzo, dem Austragungsort der Olympischen Winterspiele von 1956. Insgesamt übernachten hier jährlich 1,5 Mio. Gäste, im gesamten Boite-Tal sind es 3,3 Mio. In "Anpezzo" wie in Colle Santa Lucia/"Col", Livinallongo del Col di Lana/"Fodom" liegen die ladinischen Sprachinseln der Provinz. Zimbrisch-Deutsch wird in Sappada/"Ploden" noch heute gesprochen, während es in Farra d'Alpago und Tambre bereits ausgestorben ist. Der Hauptort Belluno liegt pittoresk auf einer Terrasse über der Piave, in breitem Abstand ringförmig von Bergen umgeben. Niemand, der sich hier Schaufensterbummel und Espresso hingibt, wird den Flair der Altstadt mit ihren heimeligen Arkadengängen, sprudelnden Brunnen und venezianischen Palästen aus Gotik und Renaissance vergessen. Piazza del Duomo mit dem Dom Santa Maria Assunta (16.-18.Jh.) und Piazza del Mercato gehören zu den beliebtesten Treffpunkten. Das Centro Storico ist durch lange Rolltreppen mit der Außenwelt verbunden. Die typischen Spezialitäten sind allesamt alpinen Gepräges und umfassen Polenta, Milchprodukte (etwa die Käsesorte "Piave") sowie Wild, Schweine- und Rindfleisch, die oft gemischt gekocht werden. Allgegenwärtig erscheinen die Soße "Peverada" und die gegarten weißen Bohnen aus Lamon. Durchaus empfehlenswert ist die "Sopa Coada", ein Auflauf aus eingelegten Brotscheiben und Taubenfleisch. In Cortina d'Ampezzo mehren sich Spekulationen über einen möglichen Übertritt in die Autonome Provinz Bozen/Bolzano, insbesondere seit acht Gemeinden in Vicenza per Volksbefragung im Jahr 2007 für einen ähnlichen Wechsel stimmten.
Geschichtliches
Das Piavetal bildet seit Urzeiten die Verbindungsachse zwischen der geschäftigen Ebene Venetiens und den rohstoffreichen Gebirgstälern mit ihren Vorkommen an Kupfer, Zink, Eisen, Blei, Silber, Quecksilber und natürlich Holz. So ließen sich auch Veneter und Kelten im 5.Jh. v.Chr. hier nieder, zirka 300 Jahre später wurde Belluno römische Reichsstadt. Den Germanenattacken ab 500 n.Chr. folgten Rückeroberung, Langobardeneinfall, karolingische und bischöfliche Machtübernahme. 1249 begann die Bevormundung durch die Städte Caminese, Verona (Skaliger) und Carrara. Ab 1404 regierte Venedig, das die Alpenregionen Bellunos in sein florierendes Handelssystem einzubinden verstand.
1797 übernahmen die Franzosen die Herrschaft, 1815 ging Belluno in das von Österreich geführte Königreich Lombardo-Venetien, 1866 in das Italienische Königreich ein. Der nördliche Teil (vormals Tirol) gelangte allerdings erst nach der Sonnwendschlacht, in der 20.000 österreichische und italienische Soldaten starben, 1918 durch Annexion zu Italien. Im Zweiten Weltkrieg war Belluno für seine Partisanenkämpfer bekannt. Das 20.Jh. sah einen gewaltigen Ausbau hydroelektrischer Anlagen, so dass hier gegenwärtig 10% des national aus Wasserkraft gewonnenen Stroms erzeugt werden. Im Jahr 1963 ereignete sich ein tragisches Unglück am Stausee von Vajont: ein Bergrutsch löste eine Flutwelle aus, die sich über die Staumauer hinweg ihren Weg ins Tal bahnte und in Longarone beinahe 2.000 Menschen das Leben kostete. Zuvor war der Protest der Einwohner gegen das gigantische Projekt auf taube Ohren gestoßen. | |||||||||||||||||||