NUTS-3 Region Östliche Obersteiermark (Österreich)
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Die Östliche Obersteiermark ist geprägt von der jahrtausendealten Eisen- und Stahlindustrie, die die Mur-Mürz-Furche zu einem der großen inneralpinen Verdichtungsräume gemacht hat. Hätte man die Region noch vor wenigen Jahren als "Meer an Fabrikklötzen", "Rezessionsraum" oder "Geschundene Landschaft" ansprechen müssen, so zeichnet sich allmählich ein grundlegender Wandel ab. Dessen Ursachen finden auch in einem neuen Selbstverständnis als "Produzent von Industriewaren mit Weltklasse" Ausdruck. Wer nun denken sollte, die Natur besäße in dieser Region keinen sehr hohen Stellenwert, der irrt. Im Norden bauen sich die Ybbstaler Alpen in Form des Kräuterinstocks (Hochstadl: 1.919m) auf. Weiter im Osten gehören Veitschalpe (1.981m), Schneealpe (Windberg: 1.903m) und Rax (Heukuppe: 2.007m) zum Naturpark Mürzer Oberland. Auen, Moore, Weiden und Streuwiesen in den Tälern und auf den Bergen Buche, Tanne, Kiefer und Fichte, Almwiesen, darüber Zwergsträucher, Matten und Felsflora wechseln sich hier ab. Der reiche Schatz an endemischen Arten, etwa der Anemonen-Schmuckblume, und Orchideen überwältigt ebenso wie die Tierwelt. Alpensalamander, Großohrfledermaus, Wasseramsel, Steinadler, Steinwild und viele Schmetterlinge bestimmen das Bild. Die Quellleitung der "Sieben Quellen" beschert den Wienern seit 1873 die beste Trinkwasserqualität aller europäischen Hauptstädte. Das Kalkplateau des Hochschwab (2.277m) beherbergt - neben Auerhähnen, Murmeltieren und Steinböcken - das größte Gämsenrevier Europas. Durch Verkarstung entstanden umfangreiche Höhlensysteme, wie die Pfaffing-Tropfsteinhöhle oder die Langstein-Eishöhle. Ebenfalls dem Karst verdankt die Kläfferquelle im Salzatal ihre frühjährliche Schüttung von bis zu 850 Mio. Litern pro Tag. Sie speist seit 1910 die zweite große Wasserleitung nach Wien. Zur Grauwackenzone gehören die Eisenerzer Alpen (Gößeck: 2.214m), eine Untergruppe der Ennstaler Alpen. Sie weisen die größten Sideritmengen der Erde auf. Die Erzmenge am Erzberg (1.465m) wird auf etwa 140 Mio. Tonnen geschätzt! Unberührt sind die Natura 2000 geschützten Hochlagen mit Eibe, Spirke und vielen Alpenblumen und Orchideen (44km²). Der vorwiegend unterirdisch gespeiste Leopoldsteinersee ist der größte See der Region (maximal 31m tief, 1,5km lang und 0,5km² groß). Waren die bisher genannten Gebirge aus geographischer Sicht Teil der Nördlichen Kalkalpen, so beginnen mit den Seckauer Tauern die Zentralalpen. Am Hochreichhart (2.416m) liegt hier der höchste Gipfel der Region Östliche Obersteiermark. Entlang der Mur-Mürz-Furche finden sich ranghohe Schutzgebiete (vergleiche Westliche Obersteiermark). Liesing, Vordernbergerbach, Laming und Thörlbach fließen aus Norden zu, aus den Lavanttaler Alpen im Süden sind die Zuflüsse kleiner. Durch die Pforte zwischen Fischbacher Alpen (Stuhleck: 1.782m), einer Untergruppe des Randgebirges östlich der Mur, und Gleinalpe (Speikkogel: 1.988m), ein Gebirgszug der Lavanttaler Alpen, verlässt die Mur die Region Richtung Graz. Einige Staustufen behindern den freien Lauf des Flusses. Ungefähr die Hälfte aller Erdbeben Österreichs ereignet sich entlang der Mur-Mürz-Furche. Das alpin bestimmte Klima führt den Höhenlagen über 2.000mm Niederschlag zu, das Mur-Mürztal dagegen ist klimatisch begünstigt. Bruck an der Mur (482m) etwa misst mittlere Jahreswerte der Temperatur von 8,6°C und des Niederschlags von 774mm. Die Gesamtregion weist eine Bevölkerungsdichte von 53 Einwohnern pro km² auf. Das BIP/Kopf erreicht 20.131 € BIP/Kopf - und damit alpenweit nur Rang 79. Positiv ist andererseits die Arbeitslosigkeitsrate von 4,2%. Die alten Qualitäten im Verbund mit modernen Technologien, Wissenschaft und internationalem Austausch scheinen derzeit eine ökonomische Trendumkehr einzuläuten. An diesem Ziel arbeitet die Politik, aber auch die Montanuniversität Leoben. Der Erfahrungsaustausch mit der Partnerstadt Xuzhou, einem chinesischen Zentrum für Kohlegewinnung und Hüttenindustrie, bringt ebenfalls Vorteile für die positive Zukunftsgestaltung. Noch immer arbeiten 39% der Beschäftigten in der Industrie, angeführt von der absolut dominanten Gruppe der Metallproduktion, -bearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen (Voestalpine in Donawitz), dem Bauwesen und, abgeschlagen dahinter, Be- und Verarbeitung von Holz (ohne Möbel), Nahrungs-, Genussmittel- und Getränkeproduktion sowie Maschinenbau. Tertiäre Branchen bieten 58% der Arbeitsstellen, insbesondere in Handel und Instandsetzung, Gesundheits- und Sozialwesen, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, Erziehung und Unterricht sowie Immobilienwesen, Informatik, Forschung und Unternehmensdienstleistungen. Tourismus spielt eine zunehmende Rolle, und wer mit der Semmeringbahn (vergleiche Niederösterreich-Süd) in die Obersteiermark einfährt, weiß warum. Zu den "großen" Skigebieten etwa zählt Stuhleck-Semmering mit 9 Liften und 24km Pisten, es folgen Präbichl, Aflenzer Bürgeralm, Mariazeller Bürgeralpe, Niederalpl, Alpl und Lammeralm. Die Wanderwege überraschen mit Klammen, Höhlen und Wasserfällen. Mit den Tagebauanlagen am Erzberg und vielen Zeugen des industriellen Erbes erfolgt die Bewerbung um Aufnahme ins Unesco-Weltkulturerbe. Im Hauptort Leoben beeindrucken die Pfarrkirche St. Xaver (17.Jh.) und die Kunsthalle. Der Bau des neuen "Leoben City Shopping" mag wohl als Ausdruck des starken Dranges zur Veränderung zu verstehen sein, jedoch schreckt man nicht davor zurück, das älteste Gebäude der Stadt - noch dazu ausgerechnet ein ehemaliges Dominikanerkloster - in ein Einkaufszentrum zu verwandeln. Lichtmesssänger, "Hüttenschwaberl" und Knappentänze gehören unauslöschbar zum Brauchtum. Die bergmännische Tradition ist mit dem sogenannten "Ledersprung" auch an der Universität immer noch deutlich spürbar. Im November übergibt der Rektor die Matrikelscheine an die neuen Studenten und verleiht ihnen damit Ehrenbergmannswürde. Kulinarische Spezialitäten der Region sind Sauermilchsuppen, "Obersteirischer Rostbraten", "Blunzen" (Blutwurst) und Wild vom Hochschwab. Das bekannte Gösser Bier wird in Leoben gebraut. Der wichtigste Wallfahrtsort Österreichs ist die gotisch-barocke Basilika Mariazell (12.-18.Jh.) um die "Magna Mater Austriae". Gemeinsam mit dem größten Pilgerkreuz der Erde an der Veitschalpe könnte sie als guter Stern für den Neubeginn der Region leuchten.
Geschichtliches
Vermutlich nutzten bereits Keltenstämme, ganz sicher aber die Römer die Lagerstätten am Erzberg. Sie eroberten mit dem "Ferrum Noricum" ein ganzes Weltreich und machten damit auch das Eisen dieser Region berühmt. Ab dem 6.Jh. zogen Slawen hierher, ab dem 9.Jh. Bajuwaren und Franken. 904 übergab der letzte ostfränkische König die Gegend dem Gaugrafen Aribo. Der Verlegung Leobens in die Murschleife durch König Ottokar von Böhmen ab 1261 folgten die Stadterhebung und der Ausbau zum Eisenhandelsplatz. Im 15.Jh. fielen die Türken ein. Das 16.Jh. wurde von der Reformation geprägt, das 17.Jh. von der Gegenreformation. Die Gründung von Jesuitenorden, Kolleg und Gymnasium führten zur kulturellen Blüte Leobens. Bruck an der Mur war Tagungsort brisanter habsburgischer Landtage. Hochwasser, Dürre, Pest, Brände und Erdbeben erschütterten die kommenden Jahrzehnte. Der "Vorfrieden von Leoben" deutete bereits auf die nahende Machtübernahme durch Napoleon hin, die er im Jahre 1805 vollzog.
Erst die Eisenbahnlinien nach Graz und Wien ab 1844 und die Ansiedlung der Bergmännischen Lehranstalt in Leoben 1849 verhalfen dem Landstrich wieder zum Aufschwung. Durch die Industrialisierung bedingte soziale Spannungen zogen 1934 blutige Konflikte nach sich. Zu den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs gehört die Ermordung Hunderter von Juden durch den Eisenerzer Volkssturm, und auch in Leoben verschwand die jüdische Kultusgemeinde. Nachdem die Eisenwurzen über Jahrhunderte die Versorgung weiter Teile Europas mit Eisenwaren gewährleistet hatten, traf sie der Strukturwandel mit Schließung der Kohleabbaustätten und Niedergang der staatlichen Eisenindustrie hart. In den Jahren zwischen 1994 und 2004 sahen sich 12% der Gesamtbevölkerung zur Abwanderung gezwungen - ein alpenweiter Negativrekord. Allein Leoben schrumpfte zwischen 1980 und 2005 von 36.000 auf 25.500 Einwohner. Administrativ vereint die Nuts-3-Region heute die Politischen Bezirke Bruck an der Mur, Leoben und Mürzzuschlag. | |||||||||||||||||||