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NUTS-3 Region Appenzell Ausserrhoden (Schweiz)

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Steckbrief
Hauptort: Herisau771m
Höchste Erhebung: Säntis2502m
Gemeinden20
Bevölkerung52561
Fläche243 km²
Bevölkerungsdichte216 Einwohner/km²
>> Datenblatt Nuts-3 Kennzahlen
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Foto
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Grafiken
Höhenverteilung (Hilfe)
Corine Landbedeckung
Alterspyramide
 
NUTS-3 Nachbarregionen
Appenzell Innerrhoden, Sankt Gallen
 
Klimadiagramme nach Walther-Lieth
Herisau (771 m): ø 6.8 °C / Σ 1401mm
Säntis (2502 m): ø -2.0 °C / Σ 2701mm
 

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Traditionelle und moderne Industrie in Herisau (©Roland Zumbühl, Arlesheim (CH))
Der Halbkanton Appenzell Ausserrhoden bildet zweifellos eine der kleinsten Nuts-3-Regionen der Alpen, welche - zusammen mit ihrem Bruderkanton Appenzell Innerrhoden - komplett von Sankt Gallen umschlossen wird.

Naturräumlich präsentiert sich eine liebenswerte Hügellandschaft zu Füßen des Alpsteinmassivs auf einer Hochterrasse über dem Bodensee. Den höchsten Gipfel erreicht das Territorium am Säntis (2.502m), weitere Höhepunkte wären Hochalp (1.530m) im Westen und Gäbris (1.251m) im Osten. Geologisch unterscheidet sich die schräg gestellte subalpine Süßwassermolasse aus Sandstein, Mergel und Nagelfluh, die den größten Teil Ausserrhodens ausmacht, von den Helvetischen Decken aus Kalk und Mergel, die auch den Säntis aufbauen. Die Appenzeller Alpen sind das nordöstlichste Gebirgsmassiv der Westalpen, ähneln geologisch aber noch sehr den ostalpinen Nördlichen Kalkalpen.

Wald bedeckt fast 29% der Kantonsfläche: Tannen-Buchenwälder (900m-1.200m) gehen mit der Höhe in reine Tannenwälder (1.200m-1.500m) über. Als ökologisch besonders wertvoll gelten die Moore, etwa die Flachmoore Langmoos/Foren, Breitmoos und Gross Moos/Rietlerwald oder der Hochmoorkomplex Forenmoos/Schachenmoos. Die mit 28km² Gesamtfläche größte Moorlandschaft Schwägalp wird im Kapitel über Sankt Gallen vorgestellt. Die südlichste Zone des Kantons ist außerdem Teil der ausgedehnten BLN-Landschaft Säntisgebiet (179km²) und des Jagdbanngebiets Säntis (26km²). Durch die Variabilität der Höhenlagen treten neben den üblichen Waldtieren, wie Reh, Rothirsch, Fuchs oder Hase, auch Gämse und Steinbock in Erscheinung.

Die Wasserläufe der Region - Freibach, Glatt, Goldach, Rotbach, Sitter oder Urnäsch - zielen direkt oder über den Bodensee in den Rhein.

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Reminiszenz an die Landteilung von Appenzell im Jahre 1597 (©Roland Zumbühl, Arlesheim (CH))

Der exponierten Lage am Alpennordrand entsprechend, zeigt sich das Klima rau und die mittleren Jahresniederschläge sind hoch. Werden in Herisau (771m) 1.401mm gemessen, so steigen diese auf der kurzen Strecke bis hinauf zum Säntis (2.502m) auf außerordentliche 2.701mm. Dabei veranschaulichen die beiden Klimadiagramme auffällig das Zurückweichen des sommerlichen Niederschlagsmaximums mit der Höhe und die dann ausgeglichenere Niederschlagsverteilung über das Jahr. Die durchschnittlichen Jahrestemperaturen liegen im Hauptort bei 6,8°C, am Säntis bei -2,0°C. Den im Winter häufig anzutreffenden Nebellagen des Rheintals und der Bodenseeregion entkommt man in den höheren Lagen weitgehend. Werden in Rheinnähe annuell nur ungefähr 1.500 Sonnenstunden gemessen, sind es am Säntis bereits 1.800h.

Die mittlere Bevölkerungsdichte des Halbkantons Appenzell Ausserrhoden beträgt hohe 216 Einwohner pro km². Das wirtschaftliche Bild spiegelt eine stark diversifizierte Struktur wider. Sein Slogan spricht dabei für sich: "steuerstabil, staatsschlank, streiklos, schweizerisch". Bewundernswert niedrig respektive hoch sind die Arbeitslosigkeit mit 2,2% und das BIP/Kopf mit 37.906 €. Alpenweit wird damit der eindrucksvolle 8.Rang belegt.

Der Sekundäre Sektor schafft insgesamt 36% der Arbeitsplätze, vorzugsweise in den Branchen Bauwesen, Herstellung von elektrischen Geräten, Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten, Textil- und Bekleidungsindustrie, Metallproduktion, -bearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen sowie Papier-, Verlags- und Druckgewerbe. Im Dienstleistungssektor - zusammen 54% der Stellen - rangiert Arbeit in Gesundheits- und Sozialwesen an erster Stelle, es folgen Handel und Instandsetzung, Erziehung und Unterricht, Immobilienwesen, Informatik, Forschung und Unternehmensdienstleistungen sowie Hotel- und Gaststättengewerbe. Dass noch immer 10% der Erwerbstätigen ihr Auskommen im Primären Sektor, also vor allem in der Land- und Forstwirtschaft finden, ist an der gepflegten Landschaft einfach abzulesen.

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Silvesterchlausen in Urnäsch (©Gemeindeverwaltung Herisau (Schweiz))
Tourismus bedeutet für Ausserrhoden vorwiegend die Beherbergung und Bewirtschaftung inländischer Gäste, so entfallen über drei Viertel aller Übernachtungen auf Eidgenossen. Dabei ist es eine sanfte Art des Fremdenverkehrs, der auf Wander-, Kultur-, Bildungs- und Gesundheitstourismus setzt. In Herisau selbst erfreut den Besucher der schmucke Hauptplatz mit typischen Appenzeller Schweifgiebelhäusern oder die spätgotische Kirche St. Laurentius (16.Jh.). Das im 18.Jh. zu einer Textildruckerei umgebaute "Schwarze Haus" gilt als frühes Industriedenkmal. Lebendige Vergangenheit und Gegenwart krönten Herisau mit dem Titel "Alpenstadt des Jahres 2003", was etwas im Widerspruch zum eigenen Selbstverständnis der Herisauer steht, im "größten Dorf der Schweiz" zu leben.

Der Blick von den Herisau umgebenden Moränenhügeln streift unweigerlich hinüber zum Säntis. Hier befindet sich die Schwägalp, die populäre Talstation der Säntisbergbahn und Ausflugstreff für Freerider, "Schlittelfahrer", Schneeschuhgeher, Wanderer und Mountainbiker. Wer Silvester zweimal im Jahr feiern will, ist in Urnäsch richtig, wo die Silvesterkläuse/"Silvesterchläuse" jeden 13. Januar das Alte Silvester feiern - sozusagen als letzte wahre Anhängerschaft des im Jahre 1582 reformierten Julianischen Kalenders. Überregional bekannt sind hier auch die "Appenzeller Streichmusiktage" und das Heimatmuseum, welches sich der Darstellung von Brauchtum und Kultur des ganzen Appenzellerlandes widmet. Sehenswert ist ferner der Fasnachtsumzug "Gidio Hosestoss": Der Legende nach erstickte besagter Gidio einst an einem stibitzten "Leckerli" und der Ort begleitet seine Hülle - dargestellt als Strohpuppe - nun makaberer Weise zum Grab.

Bleibt der Alpkäse zu erwähnen, der mit der Bezeichnung "Appenzeller Switzerland" rechtlich geschützt und tonnenweise in alle Welt exportiert wird. Aus ihm bereitet man zum Beispiel "Alte Maa", ein Gericht, bei dem Käse und Brot scheibenweise gestapelt, mit Milch und Rahm übergossen und schließlich in der Pfanne gebraten werden. Zu "Appenzeller Chäsflade" (Käsefladen) empfiehlt sich eine Zwiebelsuppe mit Kümmel und Brotwürfelchen. Stets passend sind Pinot noir (aus Ausserrhoden) und Riesling-Sylvaner (aus Appenzell Innerrhoden).

Vor allem aber ist es der klassische Liberalismusgedanke - "Jedem das Seine" wurde bereits 1820 auf Münzen geprägt - der Ausserrhoden bis in die Gegenwart charakterisiert: das großzügig gehandhabte Asylrecht, die freie Heiltätigkeit für Naturmediziner oder die Zeitungstradition bezeugen ihn.

Geschichtliches

Die Historie von Herisau kann bis ins Mesolithikum zurückverfolgt werden. Gleichwohl begann die eigentliche Besiedlung durch Alemannen, die dem Lauf der Glatt folgten, erst im 8.Jh. n.Chr. Erstmalig nannte der Sankt Gallener Bischof Salomo 907 die Kirche des heutigen Hauptortes Herisau. 1071 fiel erstmalig die Bezeichnung "abbatis cella", aus der sich schließlich "Appenzell" ableiten würde. In das 12.Jh. wird die agrarische Inwertsetzung der ausserrhodischen Hügellandschaft datiert, die bis dahin unberührt geblieben war. Bis ins 15.Jh. unterlag die Region dem übermächtigen Einfluss des Klosters Sankt Gallen. In den Appenzeller Kriegen löste sie sich aus dieser Bevormundung und verfolgte ihre Unabhängigkeit nach dem Vorbild der Urkantone, so etwa in den Schlachten bei Vögelinsegg 1403 oder am Stoss 1405. 1513 findet Appenzell Aufnahme in die Eidgenossenschaft. Die Wirren des Mittelalters führten zur Vertreibung der Juden und zu großen Spannungen zwischen den Konfessionen. Die Landteilung im Jahre 1597 zerriss den Kanton dann in das katholische Inner- und das reformierte Ausserrhoden.

Als ab 1730 entlang der Bachläufe erste Fabriken entstanden, erfuhr die Textilindustrie einen steilen Aufschwung. Heerscharen von Webern, Färbern, Bleichern und Stickern fanden hier Arbeit. Heimische Kaufleute erschlossen europaweite, ja weltweite Märkte für die edlen Stoffe. Im 18.Jh. zählte Herisau zu den meistbevölkerten Schweizer Ortschaften. 1834 verlieh sich der Kanton seine erste liberale Verfassung. 1877 übernahm Herisau offiziell Hauptortsfunktion und bot nach und nach Regierung, Parlament, Kantonalbank, Regionalspital und militärischen Einrichtungen Raum. Die wirtschaftliche Blüte war begleitet vom Bau zahlreicher Eisenbahnlinien und währte bis nach dem Ersten Weltkrieg. Dem schleichenden Verfall der Textilbranche wurde nichts entgegengesetzt, was den Verlust zahlloser Stellen und Abwanderung zur Folge hatte. Bis 1972 sollte es dauern, dass Frauen in Gemeindefragen Stimmrecht zugebilligt wurde, auf Kantonsebene gar bis 1989.

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