NUTS-3 Region Novara (Italien)
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Zwischen Reisfeldern, Seen, rebbedeckten Hügeln und wilden Auenlandschaften großer Flüsse haben in der piemontesischen Nuts-3-Region Novara viele Menschen ihre Heimat gefunden. Die Provinz streift nur in wenigen nördlichen Bereichen das Alpenkonventionsgebiet und besitzt damit kaum noch Alpenanteil. Einzig am zwischen Lago d'Orta und Lago Maggiore gelegenen Monte Mottarone gehen die Höhen bis 1.491m hinauf. Monte Mazzarone (1.146m) und Monte Falo (1.080m) sind merklich niedriger. Für die Berggruppe stößt man auf die Bezeichnung "Prealpi Novaresi/Novaresische Voralpen", offiziell ist dieser Name aber nicht gängig. Der pittoreske Lago d'Orta/Lago Cusio/Ortasee weist maximal 143m Tiefe, 13km Länge, 2,5km Breite, 18km² Oberfläche und 1,3 Mrd. m³ Volumen auf und ist der einzige norditalienische See ohne Abfluss nach Süden. Das südwestliche Ufer des Lago Maggiore gehört ebenfalls zur Provinz (vergleiche Varese, Verbano-Cusio-Ossola und Ticino). Naturgeographen interessiert der Parco Naturale del Monte Fenera (auf 33km² auch Natura 2000-Gebiet), der von hier bis nach Vercelli reicht. In den dolomithaltigen Kalkbänken werden Karstphänomene bestaunt, etwa Höhlensysteme mit Stalagmiten und Stalaktiten. Aus Kastanie, Eiche, Birke, Ahorn, Zitterpappel, Wildkirsche und Bergweide bestehen die Wälder. Die Besonderheit der lokalen Flora liegt in der Variabilität der Wasserführung der Torrenti begründet, deren Charakter sich schnell von einer trockenen Rinne zum reißenden Wildbach verwandeln kann und die somit einer Vielzahl speziell angepasster Pflanzen Heimat bieten. Neben den üblichen Waldtieren treten Marder, Siebenschläfer, Spitzmaus, Smaragdeidechse und Viper auf. In der Avifauna sind Bergschwalbe, Buntspecht, Mönchsgrasmücke sowie Wanderfalke, Bussard und Milan zu erwähnen. Südlich der Voralpen liegen in den Colline Novaresi die bekannten Weinhügel der Provinz, die ausgedehnten Reisfelder der Pianura Padana/Poebene schließen sich an. Die Lagoni di Mercurago bilden ein Moränenhügelland in Nähe des Lago Maggiore mit ökologisch wertvollen Sümpfen und Weihern. Die vier großen Flüsse Sesia, Agogna, Terdoppio und Ticino strömen nahezu parallel in süd-südöstlicher Richtung dem Po zu. Der Parco Naturale Valle del Ticino ist Natura 2000-Gebiet und Unesco-Biosphärenreservat. Er schützt die weitgehend ursprüngliche Flusslandschaft südlich des Lago Maggiore, die von Heideland, Quellgebieten und periodisch auftretenden Hochwässern, aber auch von extensiv bewirtschafteten Weiden, alten Mühlen und Molkereien geprägt wird. Derzeit bemüht man sich im Besonderen um die Arterhaltung der Italienischen Knoblauchkröte. Das Hauptproblem dieser Spezies, wie übrigens auch anderer Amphibien, ist die zunehmende Aufgabe von Reisfeldern und Bewässerungskanälen, in denen die Brutgebiete liegen. Ein weiterer Regionalpark bewahrt Teile der Baraggia (vergleiche Biella). Die Klimastation im Hauptort Novara (164m) misst Jahresmittelwerte von 13,3°C und 947mm. Auffällig sind die beiden Niederschlagsmaxima im Mai und November, während sich Niederschlags- und Temperaturkurve im Juli bereits klar annähern. Die Provinz Novara fällt heute durch eine im Vergleich zur Gesamtregion Piemont erhöhte Bevölkerungsdichte von 266 Einwohnern pro km² auf (Tendenz leicht steigend), was mitunter auf ihre Lage im Agglomerationsbereich Mailands zurückzuführen ist. Insgesamt wird ein BIP/Kopf von 24.698 € erwirtschaftet (Rang 46 alpenweit). Die Arbeitslosigkeit beträgt 4,6%. Der Anteil industrieller Arbeitsplätze ist mit 44% noch immer beachtlich. Maschinenbau, Bauwesen, Textil- und Bekleidungsfabrikation, Metallproduktion, -bearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen (Wasserhahnproduktion) sowie Chemische Industrie sind hier die maßgeblichen Sparten. Der Dienstleistungssektor stellt 53% der Arbeitsplätze zur Verfügung, überwiegend in Handel und Instandsetzung, Immobilienwesen, Informatik, Forschung und Unternehmensdienstleistungen, Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung und Unterricht sowie Verkehr und Nachrichtenübermittlung. Die Orte am Ortasee bleiben dem Besucher unverfälschter als jene am Ufer des Lago Maggiore in Erinnerung. An die engen Gässchen in Orta San Giulio schmiegen sich vornehme Paläste aus Renaissance und Barock mit Arkaden, Balkonen und schmiedeeisernen Toren. Am Platz Mario Motta steht der "Palazzo della Communità" (1582) - der ehemalige Sitz des Rates der Riviera. Das Unesco-Weltkulturerbe Sacro Monte d'Orta mit Wallfahrtskirche und 21 Kapellen (16.-18.Jh.) ist Franz von Assisi geweiht. Vom Turm Buccione (11.Jh.) blickt man über den Ortasee bis auf die Spitzen des Monte Rosa. Der Bischof von Novara ließ im 9.Jh. auf der Insel San Giulio eine Basilika erbauen, in welcher der Ambo aus schwarzem Marmor Bekanntheit erlangte - ein Meisterstück aus dem 11.Jh. In Pettenasco bringen das Drechsel-Museum und das Eco Museo Cusius Kunsthandwerk, Landschaft und Kultur der Gegend näher. In Vacciago di Armeno besuchen Freunde moderner Kunst die Stiftung Calderara. Im Süden Novaras sind weiters das Schloss in Vespolate (10./11.Jh.) und die Benediktinerabtei San Nazzaro Sesia nahe Biandrate (11.Jh.) sehenswert. In Arona wacht die 35m hohe Statue des Colosso di San Carlo Borromeo über das Geschehen am Lago Maggiore. Im Hauptort Novara selbst - der laut Baedeker "lombardischsten Stadt des Piemont" - begeistern das frühchristliche Baptisterium (5.Jh.), das Castello Sforzesco (14.Jh.), die Kirche San Gaudenzio (Schutzpatron der Stadt) mit ihrer 121 Meter hohen Kuppel (1577-1888) und der neoklassizistische Dom Santa Maria Assunta (1863-69). Die den Jahreszeiten angepassten Sagre laden allerorten zum Feiern ein. Im Mai bieten sich beispielsweise die "Mostra-mercato del Vino DOC" in Ghemme oder das Spargelfest in Landiona an. Lokale Produkte werden am besten hier erworben, etwa auch die "Salam d'la Duja", eine Wurst aus verschiedenen Fleischsorten mit hohem Speckgehalt und in Wein getauchten Gewürzen. In den Trattorien locken die Gerichte "Paniscia", eine Gemüsesuppe mit Wurst, oder "Tapulon", zerhacktes Eselsfleisch in Wein gekocht. Dazu werden die DOC-Weine Boca, Colline Novaresi (aus Barbera, Nebbiolo, Bonarda und der autochthonen Croatina-Traube), Fara oder Sizzano gereicht.
Geschichtliches
Am Ortasee siedelten schon in prähistorischen Zeiten gallische Kelten, im Norden Lepontier. Novara basiert jedoch auf einer Gründung der Ligurer, die, ähnlich ihren Nachfolgern, die Gegend nicht zuletzt deshalb wählten, weil mit dem Ticino ein auch im Sommer zuverlässiger und schiffbarer Wasserlauf vorhanden war. Unter den Römern entstand die rechtwinklige Anlage des Hauptorts. Nach Einführung des Christentums erbauten die griechischen Brüder Julius und Julian aus Ägina 100 Kirchen im Umkreis des Ortasees. Im 5.Jh. plünderten Goten und Hunnen Novara, zerstörten es aber nicht völlig. Die Langobarden schufen das Herzogtum Novara, Karl der Große machte dieses zur Grafschaft. Als freie Kommune wurde die Stadt im 12.Jh. von den Franken niedergebrannt. Sie schloss sich daraufhin dem Lombardenbund an, bevor sie ihr Schicksal freiwillig den Visconti und Sforza überließ. Pestwellen brachen von nun an ins Land.
Den Habsburgern folgten napoleonische Truppen und - nach der Schlacht von Bicocca 1849 mit Radetzky als siegreichem Feldmarschall - wieder die Österreicher. Die Epoche des Risorgimento, in dem letztlich die Einigung der Apenninenhalbinsel erzielt werden sollte, war dennoch eingeläutet. Der Conte di Cavour reformierte das Agrarsystem und verhalf dem Landstrich zur Anlage von Kanälen und Reisfeldern. Im Zuge einer norditalienischen Volksabstimmung wurde schließlich Vittorio Emanuele II. zum ersten König Italiens proklamiert und Torino die erste Hauptstadt des neuen Staates. Schon der Erste Weltkrieg forderte viele Tote, und noch im Heranrücken der Alliierten tötete 1944 ein Schlägertrupp 13 Jugendliche im Stadtteil Vignale, die, wie zahlreiche andere Bewohner Novaras, gegen den Faschismus ankämpften. In der demokratischen Nachkriegszeit begann der sozioökonomische Aufstieg der Provinz. | |||||||||||||||||||