NUTS-3 Region Glarus (Schweiz)
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Die Nuts-3-Region Glarus besitzt zwar keine einzige "Stadt" im Sinne einer modernen Definition, ist aber trotzdem der am stärksten industrialisierte Kanton der Schweiz. Das Territorium entspricht in etwa dem Einzugsgebiet der Linth, dem Quellfluss der Limmat, welche wiederum der Aare zustrebt. Vor ungefähr 14.000 Jahren breitete sich nach dem Rückzug der Gletscher ein riesiger See bis nach Zürich und zum heutigen Bodensee aus. 5.000 Jahre später hatten die starken Aufschüttungen der Linth bereits Zürich- und Walensee getrennt (zu postglazialen Verlandungsprozessen: vergleiche Traunstein). Um die Flächen urbar zu machen, entschlossen sich die Schweizer 1807 zu ihrem ersten Nationalwerk: der Umleitung der Linth in den Walensee sowie dem Bau des Linthkanals mit nachfolgender Trockenlegung der Linthebene. Die Linthebene bildet nur den Einlass in die beiden Haupttäler von Linth und Sernf, denen aus den Seitentälern Fätschbach, Durnagel, Niedernbach, Chrauchbach und Löntsch zufließen. Als eines der steilsten Alpentäler, sieht sich das Glarnerland ringsum umgeben von den - im Uhrzeigersinn genannten - Bergen Mürtschenstock (2.441m), Surenstock (3.055m), Piz Segnas (3.098m), Bündner Vorab (3.028m), Hausstock (3.158m), Tödi (3.614m), Clariden (3.267m), Glärnisch (2.901m) und einigen anderen hohen Gipfeln. Diese Enge hat dem Kanton den Beinamen "Zigerschlitz" eingebracht. Die hochgelegenen Zonen der Glarner Alpen weisen eine durchaus ansehnliche Vergletscherung aus - Bifertenfirn, Claridenfirn, Limmerenfirn, Vorabgletscher und Glärnischfirn bilden die größten Eisflächen.
Schabzigerproduktion (traditioneller Schafskäse) bei der Geska AG in Glarus (©Geska AG Swiss Schabziger) Der Muttsee (2.446m) und vor allem die beiden Stauseen Garichti und Limmerensee erblassen gegenüber dem am Fuße des Glärnisch gelegenen, durch einen Bergsturz entstandenen Klöntalersee. Er ist maximal 47m tief, 5km lang, 1km breit und besitzt eine Oberfläche von über 3km². Über ihn schrieb der Schweizer Dichter Carl Spitteler einst, er sei "so schön, wie es kein Traum errät". Die Grafik der Corine Landbedeckung zeigt für die Bewaldung einen Flächenanteil von etwa 23%, wobei 70% aller Wälder aus Nadelhölzern bestehen. Darunter wiederum dominiert die Tanne. Zu Flora und Fauna der Linthebene sind die Anmerkungen im Kapitel Sankt Gallen nachzulesen. Das älteste Wildschutzgebiet Europas, der Freiberg Kärpf (107km²), beherbergt seit dem Jahr 1548 eine Fülle an alpiner Tierwelt: von Gämse, Murmeltier und Steinbock bis hin zu Birkhuhn und dem König der Lüfte, dem Steinadler. Am Walensee (419m) und in Glarus (517m) ist das relativ milde Klima bei 8,4°C beziehungsweise 8,0°C mittlerer Jahrestemperatur in keiner Weise mit den Werten vergleichbar, die in den vergletscherten hochalpinen Regionen gemessen werden. Am Tödi (3.614m) beipielsweise sinken diese auf -5,2°C. Die imposante Reliefenergie führt bei Föhnlagen zu spürbar erhöhten Lufttemperaturen in den Tallagen. Die Unterschiede in den jährlichen Niederschlagssummen fallen etwas weniger ins Gewicht. So misst man am Walensee zirka 1.700mm, in Glarus 1.416mm und am Tödi um die 2.000mm. Die kantonale Bevölkerungsdichte bleibt mit 56 Einwohnern pro km² eher niedrig (Tendenz fallend), wobei natürlich vorwiegend entlang der Linth gesiedelt wird. 42.564 € BIP/Kopf reihen Glarus alpenweit auf dem bewundernswerten 3. Rang ein - es beweist damit sogar innerhalb der reichen Eidgenossenschaft überdurchschnittliche ökonomische Stärke! Die Arbeitslosigkeit liegt bei geringen 2,5%. Im Ersten, Zweiten und Dritten Sektor arbeiten gegenwärtig 8%, 42% respektive 50% der Erwerbstätigen. Heute sind Bauwesen, Maschinenbau, Textil- und Bekleidungsindustrie, Metallproduktion, -bearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen sowie Glasgewerbe, Herstellung von Waren aus Steinen und Erden die größten Arbeitgeber des noch immer überdurchschnittlich besetzten Zweiten Sektors. Der Dienstleistungssektor schafft Stellen in Handel und Instandsetzung, Gesundheit und Sozialem, Hotel- und Gaststättengewerbe, Immobilienwesen, Informatik, Forschung und Unternehmensdienstleistungen sowie Erziehung und Unterricht. Trotz Mangels an touristischen Großattraktionen erlangt der Tourismus - wohl einfach "nur" wegen der wunderbaren Landschaft - immer höheren Stellenwert. Skifahrer und Boarder finden ihr Eldorado auf der autofreien Sonnenterrasse Braunwald, die mit 8 Skiliften, 32km Alpinpisten, 4km Loipen und zwei Rodelbahnen für Abwechslung sorgt. Ähnlich groß ist das Skigebiet Elm, noch gemütlicher sind Fronalp, Kerenzerberg und kleinere Gemeinde-Skilifte. Freeclimber stellen sich dagegen am Brüggler ein. Seit den Orkanen Vivian und Wiebke Ende der 1990er Jahre gibt es schöne Mountainbike-Routen um Schwanden und Rüti. Wissenswertes zur Natur bietet der Geopark Südliches Glarnerland, und der Moorlehrpfad Mettmenalp erklärt Genese und Bedeutung von alpinen Hochmooren. Die Vergangenheit machen der Glarner Industrieweg und das ehemalige Schieferbergwerk am Landesplattenberg nachvollziehbar. In Näfels steht mit dem Freulerpalast (1647) als "schönstem Bürgerhaus der Schweiz" die größte Sehenswürdigkeit des Kantons. Er birgt auch das Museum des Landes Glarus, in dem Ausstellungen zu den Themen Geschichte, sakrale Kunst, Textildruck und Skisport gezeigt werden. Die "Kleinste Hauptstadt der Schweiz", Glarus, nennt die herrliche Stadtkirche (1866) und das Kunsthaus ihr Eigen. Auf dem Zaunplatz fanden die wohl ersten Schweizer Landsgemeinden statt, bei denen sich alle wahlberechtigten Kantonsbewohner zu politischen Abstimmungen treffen. Bis zum heutigen Tag geschieht dies immer am ersten Sonntag im Mai. Erst seit 1972 dürfen übrigens Frauen gleichberechtigt teilnehmen. Kulinarische Highlights des Kantons sind "Glarner Zigerbrüüt" (Streichkäse), "Schabziger Gnocchi", "Chalberwürste" (Kalbsbrühwürste) oder Früchtebrot. Wie für Ostschweizer Weingebiete üblich, werden die zwei Rebsorten Riesling Sylvaner und Pinot noir angebaut.
Geschichtliches
Funde aus der Bronzezeit bezeugen die frühe menschliche Präsenz im Glarner Land. Ortsbezeichnungen belegen keltische Siedlungstätigkeiten im 3.Jh. v.Chr. - so bedeutet etwa "Linth" soviel wie "die sich dahin windende Schlange". Aus römischer Zeit blieben Münzschätze in den Tälern sowie ein gallo-römischer Vierecktempel im Walenseekorridor erhalten, einer strategisch bedeutenden Einfallsachse nach Raetien. Das Wappen zeigt den heiligen irischen Glaubensboten Fridolin, der gemäß der Legende im 6.Jh. die Glarner zum Christentum bekehrte - es ist damit das einzige Kantonswappen mit dem Abbild eines Menschen. Das 8.Jh. brachte einen allmählichen Übergang zum Alemannischen. Das 13.Jh. sah die Machtübernahme der ungeliebten Habsburger, deren überlegenes Heer schon 1388 in der Schlacht bei Näfels von den Glarnern besiegt wurde - ein erster Schritt zur Unabhängigkeit, der nach wie vor alljährlich gefeiert wird. 1836 wurde die konfessionelle Spaltung durch die neue Kantonsverfassung überwunden.
Frühe Globalisierungsansätze offenbart die Wirtschaftsgeschichte, denn schon im 15.Jh. exportierten die Bauern Vieh und Milchprodukte. Unter letzteren war der "Ziger" wohlbekannt, ein Frischkäse mit Hornklee. Mehr und mehr Glarner verdingten sich außerdem als Söldner im Dienste europäischer Adelshäuser. 1740 wurde die erste Druckfabrik gebaut, was zur sprunghaften Ausbreitung der Textilindustrie führte. "New Glarus" in den USA steht für die Tatkraft all derer, die der Rezession der Branche im 19.Jh. nicht ohnmächtig zusehen wollten, gleichwohl kam es auch in Glarus zum Wirtschaftswunder, als die Textilbranche erneut zu florieren begann und Glarner Qualitätsprodukte in alle Welt verkauft wurden. Vorbildhaft ersann man Gesetze, welche die Arbeiter vor ausbeuterischen Methoden schützten, und schuf 1916 das erste Sozialversicherungssystem der Schweiz. Außerordentliche Diversifizierung erfuhr die Wirtschaft im Laufe des 20.Jhs. | |||||||||||||||||||