NUTS-3 Region Kempten im Allgäu (kreisfreie Stadt) (Deutschland)
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"Kempten im Allgäu (Kreisfreie Stadt)", wie sie offiziell genannt wird, zählt zu den ältesten Städten Deutschlands, präsentiert sich aber durchaus auch als eine moderne Nuts-3-Region. Unverrückbar mit Kempten verbunden bleibt die naturgeographische Lage am Fluss Iller, über den schon zu Schulzeiten im Unterricht folgender Merksatz kursiert: "Iller, Isar, Lech und Inn fließen rechts zur Donau hin". Bei starker Schneeschmelze oder intensiven Regenfällen führt die Iller innerhalb weniger Stunden Hochwasser. So würde Kempten auch beim katastrophalen Alpenhochwasser im August 2005 wieder intensive Schäden erlitten haben, hätte die neu errichtete Schutzmauer nicht tatsächlich standgehalten. Andererseits bildet das Landschaftsschutzgebiet Illerauen nördlich der Stadt ein wertvolles ökologisches Habitat und für den Menschen einen kostbaren Erholungsraum. Sie gehören zu den letzten Auwäldern mit zumindest teilweiser natürlicher Überschwemmungsdynamik im bayerischen Alpenvorland. Der stark gefährdete Fisch Streber, der für sein Überleben eine gute Wasserqualität benötigt, ist hier zuhause. Der Auwald hebt sich durch hohen Alt- und Totholzanteil ab. Die angedachte Nordspange für den stetig zunehmenden Straßenverkehr könnte diese ursprüngliche Auenlandschaft für immer zerstören und wird deshalb von diversen Bürgerbewegungen bekämpft. Wie ein Blick auf die Grafik der Corine Landbedeckung zeigt, sind bereits 26% des Stadtgebiets von Kempten mit Wohn-, Industrie-, Gewerbe- und Verkehrsflächen versiegelt. Auf zirka 6% stehen Wälder, Feuchtflächen - vor allem die Illerauen - nehmen 0,7% ein. Der Wandel vom einst verbreiteten "blauen" Flachsanbau hin zur "grünen" Milchwirtschaft verleiht der Landschaft des Allgäus noch heute deren erfrischende Farbe. So zeigt auch das Stadtgebiet noch immer 67% Grünlandanteil, gleichwohl dieser aber natürlich nur noch zum Teil agrarisch genutzt wird.
Im Jahresdurchschnitt misst die auf 705m Seehöhe gelegene Wetterwarte Kempten 6,9°C für die Temperatur und 1.273mm für den Niederschlag, also für das nördliche Alpenvorland wenig auffällige Werte. Die Monate Mai bis September weisen mittlere Niederschläge von mindestens 100mm, im Juni und August sogar über 150mm auf, doch auch die Winter sind feucht. Dennoch addiert sich die Zahl der jährlichen Sonnenstunden auf immerhin 1.755. 972 Einwohner pro km² leben gegenwärtig in der Kreisfreien Stadt. Diese erwirtschaften ein BIP/Kopf von 37.173 €, was den wirklich imposanten ökonomischen Rang 12 unter allen Alpenregionen bedeutet. Der "Zukunftsatlas 2007" bewertet dabei die "Dynamik" Kemptens unter allen Landkreisen und Kreisfreien Städten Deutschlands auf Platz 18 und insgesamt als Region "mit sehr hohen Zukunftschancen". Innerhalb des bayerischen Regierungsbezirks Schwaben steht es damit auf Platz eins. Die Arbeitslosigkeitsrate liegt trotzdem bei hohen 8,4%. Arbeitsplätze findet man zu 76% im Dritten Sektor mit Handel und Instandsetzung vor Gesundheits- und Sozialwesen, Immobilienwesen, Informatik, Forschung und Unternehmensdienstleistungen, Verkehr und Nachrichtenübermittlung sowie Öffentlicher Verwaltung, Landesverteidigung und Sozialversicherung. 24% der Arbeitsplätze bietet der Zweite Sektor mit Maschinenbau vor Papier-, Verlags- und Druckgewerbe, Nahrungs-, Getränke- und Genussmittelherstellung, Glasgewerbe, Herstellung von Waren aus Steinen und Erden sowie Metallproduktion, -bearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen. Etwa 50 Schulen sorgen für ein breites (Aus-)Bildungsangebot, wobei die Fachhochschule mit ihren 3.000 Studenten der Fachrichtungen Betriebswirtschaft, Elektrotechnik und IT, Tourismus, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen eine besondere Rolle spielt. Räumlich eingebettet in den Landkreis Oberallgäu besitzt die Kreisfreie Stadt als Oberzentrum damit Bildungsinstitutionen, mit denen sie zum allgemeinen Wohl der Gesamtregion beiträgt. Dies ist auch in den Bereichen Verwaltung und Wirtschaft der Fall. Zu Aufgaben und Funktionen von Oberzentren vergleiche das Kapitel Kreisfreie Stadt Rosenheim. Inmitten des touristisch stark frequentierten Allgäus gelegen, erfreut sich auch Kempten eines gewissen Fremdenverkehrs. Hochinteressant ist der Archäologische Park Cambodunum, in dem die Reste der einstigen Römischen Provinzhauptstadt zugänglich gemacht werden, darunter der Tempelbezirk, die kleinen Thermen und das Forum. Das Römische Museum ergänzt den Park. Im Allgäuer Burgenmuseum, Allgäumuseum und Naturkundemuseum liegen weitere Schätze der lokalen Vergangenheit. Als besuchenswert erweist sich auch das Alpinmuseum, das größte alpingeschichtliche Museum Europas. Hier erfährt man über die Besiedlungsgeschichte der Alpen, die starken Wandlungen der letzten 150 Jahre, die außergewöhnlichen Stationen des Alpinismus und vieles mehr. Sehenswürdigkeiten sind weiterhin die Residenz (1651-1674) mit ihren Rokokoprunkräumen und dem Hofgarten, die barocke Sankt Lorenz-Basilika sowie die Altstadt mit dem Rathaus (15.Jh.). Die Kirche Sankt Mang (15.Jh.) ist dem Allgäuer Schutzpatron geweiht. Jährlich wiederkehrende Ereignisse bilden Silvesterlauf, Kemptener Jazz-Frühling, Aufführungen der Freilichtbühne Burghalde und Allgäuer Festwoche. Ein reiches Vereinsleben wird der Pflege von Brauchtum, Musik, Malerei und Sport gewidmet.
Geschichtliches
Die Historie beginnt mit der bereits vom griechischen Geographen Strabon erwähnten keltischen Siedlung "Kambodounon" im 5.Jh. v.Chr. Geschichtliche Belege in großer Zahl finden sich jedoch erst mit der Machtübernahme der Römer, die ab 15 v.Chr. vonstatten ging. Diese veränderten den alten Ortsnamen nur wenig, das Gesicht "Cambodunums" jedoch schufen sie völlig neu. Die damalige Hauptstadt der Provinz Raetien fiel bereits 69 n.Chr. einem Brand zum Opfer, an ihrer Stelle entstand eine noch größere Stadt. 233 brachen alemannische Heerhaufen ein und zerstörten sie erneut. Endgültig übernahmen Alemannen das Ruder aber erst im Jahr 488, nach Abzug der Römischen Armee. Eine fränkische Strafexpedition vernichtete Kempten 683 zum dritten Mal.
Im 8.Jh. errichteten Mönche aus Sankt Gallen hier das erste Kloster im Allgäu, welches Karl der Große als eigenständige Abtei bestätigte. Im 10.Jh. folgten Verwüstungen vier, fünf und sechs durch die einfallenden Ungarn. Das Kloster wurde erneut erbaut, im 11.Jh. wieder eingerissen und noch einmal hochgezogen. 1213 erhob Friedrich II., Stauferkönig des Heiligen Römischen Reichs, den Kemptener Abt zum Reichsfürsten. 1289 wurde jedoch die Altstadt durch König Rudolf von Habsburg aus dem Besitz des Abts entfernt und dem König als Freie Reichsstadt direkt unterstellt. Damit begannen die über Jahrhunderte anhaltenden Spannungen zwischen den beiden Teilen der Doppelstadt, die kriegerische Züge annahmen. So etwa 1363, als die fürstäbtliche Burghalde von Kemptener Bürgern verwüstet wurde. Die Bauernaufstände von 1525 verfehlten auch in Kempten ihre Wirkung nicht: Die stiftskemptischen Bauern beraubten das Kloster, und durch den "Großen Kauf" gelangten sämtliche verbliebenen Rechte des Fürstabtes in die Hände der Reichsstadt. Auf diese Weise konnte daraufhin die Reformation eingeleitet werden. Der Konflikt zwischen den Konfessionen verschärfte sich im 17.Jh. weiter und erneut brachen Kämpfe, Stadtbrände und Gräueltaten aus. Verstärkt wurden diese durch Eroberungs- und Rückeroberungswellen durch kaiserliche Truppen auf der einen und Schweden und Franzosen auf der anderen Seite. Zu allem Unglück wütete außerdem die Pest. Im 18.Jh. brachten Spanischer Erbfolgekrieg und französische Revolutionstrupps Unfrieden in die Stadt. Ruhe kehrte endlich mit Napoleons Eingliederung beider Stadtteile ins Bayerische Kurfürstentum 1803 und Königreich 1806 ein. Traurig sind die Erinnerungen an die Errichtung zweier KZ-Außenlager 1943, 1944 litt aber auch Kempten an den Bomben des Zweiten Weltkriegs. In der Nachkriegszeit siedelten sich 10.000 Heimatvertriebe hier an, die zum wirtschaftlichen Aufschwung erheblich beitrugen (vergleiche Kaufbeuren). Einen Zuwachs von 12.000 Menschen brachte - rein rechnerisch - die Gebietsreform von 1972, die auch die Stadtfläche beinahe verdreifachte. | |||||||||||||||||||