Tirol Atlas Archiv

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NUTS-3 Region Ticino (Schweiz)

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Steckbrief
Hauptort: Bellinzona229m
Höchste Erhebung: Adula3402m
Gemeinden190
Bevölkerung322276
Fläche2812 km²
Bevölkerungsdichte115 Einwohner/km²
>> Datenblatt Nuts-3 Kennzahlen
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Foto
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Grafiken
Höhenverteilung (Hilfe)
Corine Landbedeckung
Alterspyramide
 
NUTS-3 Nachbarregionen
Como, Graubünden, Uri, Valais/Wallis, Varese, Verbano-Cusio-Ossola
 
Klimadiagramme nach Walther-Lieth
Cimetta (1672 m): ø 4.3 °C / Σ 1548mm
Comprovasco (575 m): ø 9.6 °C / Σ 1291mm
Locarno-Monti (366 m): ø 11.5 °C / Σ 1668mm
Lugano (273 m): ø 11.6 °C / Σ 1545mm
Magadino-Cadenazzo (203 m): ø 10.5 °C / Σ 1772mm
Piotta (1007 m): ø 7.2 °C / Σ 1413mm
Stabio (353 m): ø 9.9 °C / Σ 1490mm
 

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Verkehrsgeplagtes Valle Leventina (©Alp Transit Gotthard AG)
Das Ticino/Tessin liegt als "Sonnenstube der Schweiz" auf der südlichen Seite des Alpenhauptkamms und sieht sich dort weitgehend von Italien umgeben. So zählt der einzige Kanton mit Italienisch als Amtssprache - zusammen mit einigen Tälern Graubündens - zur "Svizzera Italiana".

Im Norden ragt die kristalline Gotthard-Gruppe mit den höchsten Bergen Pizzo Medel (3.211m), Pizzo Rotondo (3.192m) und Scopi (3.190m) auf. Zu Füßen des Scopi breitet sich das Moorgebiet Lucomagno/Dötra aus (95km²/BLN). Auch liegen hier einige Hochgebirgsstauseen, etwa der Lago di Lucendro, Lago della Sella oder Lago Ritom.

Am Pizzo Terri (3.149m) schwenkt die Regionsgrenze gen Süden, entlang des Grates Richtung Adula/Rheinwaldhorn (3.402m), dem höchsten Gipfel des Tessins. Sein italienischer Name legt die Bezeichnung des Massivs als "Adula-Gruppe" fest. Die Geologie zeigt granitische und hochmetamorphe Ausprägungen. Die Ausmaße der Vergletscherung sind, wie ebenfalls in der Gotthard-Gruppe, klein und abnehmend. Zentral- und südalpine Pflanzenformationen - alpine Rasen, Gebirgsblumen und Arvenwälder bis hinunter zur Eichen-Hagenbuchen-Zone und den Kastanienwäldern - prägen die Flora.

Der Fluss Ticino umgrenzt das flächenmäßig größte Gebirge des Kantons, die Alpi Ticinesi/Tessiner Alpen. Monte Basodino (3.272m) und Pizzo Campo Tencia (3.071m) tragen noch immer Eiskappen, gegen Süden nehmen die Gipfelhöhen ab. Die Fauna umfasst die typischen Alpentiere, insbesondere Gämse, Steinbock und Murmeltier.

Die Ceneri-Gruppe (Monte Marmontana: 2.316m) bildet den südlichen Regionsabschluss.

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Verzasca im Verzascatal (©Pixelio.de)

Der Name des Kantons leitet sich vom Hauptfluss ab, der, wie die meisten kantonalen Wasserläufe, dem Einzugsbereich des Po angehört. Der Rein da Medel bildet ebenso eine Ausnahme wie die Gotthardreuss - sie streben der Nordsee zu.

Das Val Bavona ist als BLN-Landschaft eingestuft (118km²), die Auen der Maggia sind gleichfalls ein Schutzgebiet von nationaler Bedeutung. Den Unterlauf des ansonsten als BLN-Gebiet bewerteten Valle Verzasca (194km²) staut der Lago di Vogorno. Das Valle Leventina leidet unter den stark befahrenen Gotthardrouten, das Val Bedretto hinauf zum Nufenenpass und das Val Blenio zum Lukmanierpass (24km²/BLN-Objekt Fluviallandschaft) bleiben weniger frequentiert.

Der Lago di Lugano/Luganersee misst maximal 288m Tiefe, 49km² Oberfläche und 6,5 Mrd. m³ Fassungsvermögen. Die verzweigte Form verdankt er dem Zusammenwirken zweier eiszeitlicher Gletscher. Quasi sein gesamtes Umland ist geschützt, der Monte San Giorgio ist sogar Unesco-Weltnaturerbe. Er weist eine der größten Fossiliendichten der Alpen auf, manche Funde sind sechs Meter lang. Zum Lago Maggiore: vergleiche Varese.

Während am Rheinwaldhorn (3.402m) die Jahresmittel bei -4,3°C liegen, stellen diese in Locarno (198m) mit 12,3°C den Schweizer Wärmerekord auf. 2.300h jährliche Sonnenscheindauer ist ebenfalls ein Spitzenwert. In den niedrig gelegenen Gebieten fallen "nur" 1.500mm Niederschlag, etwa in Lugano (273m) 1.545mm, in der zentralen Gebirgsregion 2.200mm. Aus den Klimadiagrammen von Lugano und Cimetta bei Locarno gehen zwei Niederschlagsmaxima im Mai und August hervor.

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Lugano am Luganersee, als Hausberg gilt der Monte Bre (925m) (©Pixelio.de)
Durch die starke Präsenz von Arbeitskräften aus Italien weist das mit 115 Einwohnern pro km² besiedelte Tessin einen hohen Ausländeranteil auf. Das Bevölkerungswachstum steigt seit Jahren, allerdings entleeren sich gleichzeitig die Gebirgsdörfer. 32.608 € BIP/Kopf bezeugen Rang 18 alpenweit.

Dienstleistungsarbeitsplätze (69% gesamt) schaffen vorwiegend Handel und Instandsetzung, Gesundheits- und Sozialwesen, Hotel- und Gaststättengewerbe, Immobilienwesen, Informatik, Forschung und Unternehmensdienstleistungen sowie Erziehung und Unterricht. In der Industrie (28% der Stellen) arbeiten die meisten Tessiner in den Branchen Bauwesen, Herstellung von elektrischen Geräten, Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten, Metallproduktion, -bearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen, Textil- und Bekleidungsindustrie sowie Herstellung chemischer Erzeugnisse. Die dominante Stellung des Bauwesens verdankt der Arbeitsmarkt auch dem Bau des Gotthard-Basistunnels, der bei Bodio aus dem Berg tritt und im Ceneri-Basistunnel seine Verlängerung findet (vergleiche Uri).

Alpinskifahrer nutzen die Gebiete um Airolo, Prato Leventina, Cari, Nara, Alpe di Neggia, Bosco Gurin und Cardada-Cimetta. Für Langlaufvergnügen ist ebenso gesorgt. Die Via Alpina führt mitten durch das Tessin, Mountainbiker sind ohnehin allgegenwärtig. Kletterer lieben die Felsen des Maggiatals, während Maggia, Verzasca und die Seen für Erfrischung sorgen.

Der mondäne Gast schlendert im Parco Civico der Luganer Seepromenade entgegen, die ihn zur Standseilbahn Richtung Monte San Salvatore leitet. Insbesondere lohnen sich die Besuche der Altstadt mit der Kirche S. Maria degli Angioli (1499-1515) und der Kathedrale San Lorenzo (1500-1517) - beides Meisterwerke der Renaissance - sowie des Museo Cantonale d'Arte. Gleich zwei Weltkulturerbe, die Castelli Montebello (13.-15.Jh.) und Sasso Corbaro (1479), besitzt Bellinzona, der kleinstädtische Hauptort. Locarno bietet italienisches Flair am Lago Maggiore und mit San Vittore (ab 1090) eine herrliche romanische Kirche. Die Gebirgstäler faszinieren mit ursprünglich erhaltenen Dörfern, Pfarrkirchen, Museen und kleinen Perlen der Kunst. Die romanische Kirche San Ambrogio Vecchio in Negrentino (um 1000) sticht hier hervor. Im Valle Leventina fallen die von Dorf zu Dorf unterschiedlichen Dialekte auf, in denen rätoromanischer und deutscher Einfluss hörbar wird.

Im ganzen Tessin empfiehlt man die "Grotti", jene bodenständigen Lokale, in denen die typischen Gerichte am besten munden. Berühmt sind die Risottos, zu denen die gar nicht mehr schweizerisch anmutenden, meist roten Weine, allen voran der Merlot aus dem Krug, aber auch Pinot noir, Bondola oder die weißen Sorten Chasselas, Sémillon und Sauvignon den Genuss komplettieren. Ein Tessiner Sprichwort sagt: "Trink Wein, wenn du für eine Stunde glücklich sein willst. Heirate, wenn du drei Tage glücklich sein willst. Iss jeden Tag Reis, wenn du fürs ganze Leben glücklich sein willst." Die Reiskörner stammen dabei aus dem Maggia-Delta, dem einzigen Reisanbaugebiet der Schweiz und zugleich dem nördlichsten weltweit.

Geschichtliches

Die keltisch-etruskischen Lepontier besiedelten die Region im 1.Jtsd.v.Chr. Sie dominierten den Nord-Süd-Handel über die Alpen. Die Römer ordneten das Tessin wohl zumindest teilweise der Raetischen Provinz zu und hinterließen Ortsnamen wie "Mezzovico" oder "Villa Bedretto". Nach den Römern fielen Ostgoten, Langobarden und Franken ein. Ab 1100 wurde der Landstrich immer wieder Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen Como und Mailand. Letztere gewann Mitte des 14.Jhs. in Gestalt der Visconti, schließlich der Sforza die Macht. 100 Jahre später invadierten die Eidgenossen in drei Feldzügen von Norden her die Täler. Spätestens 1440 gehörte das Val Leventina zu Uri. Im Jahr 1500 eroberten Uri, Obwalden und Schwyz gemeinsam Bellinzona und die Gebiete rund um die großen Seen. Die "Machtbereiche über den Bergen" wurden in die "Ennetbergischen Vogteien" untergliedert und hatten in dieser Form weitgehend Bestand bis 1798.

1803 geschah auf Weisung Napoleons die Gründung des Kantons "Tessin". Die Tessiner hatten sich bis dahin bereits unter dem Motto "liberi e svizzeri" freiwillig für den Verbleib in der Eidgenossenschaft ausgesprochen. Bellinzona, Lugano und Locarno wechselten sich alle sieben Jahre in der Ausübung der Hauptstadtfunktion ab, bis Bellinzona 1878 dieses Privileg ganz übernahm. Das 19.Jh. war von gravierenden ökonomischen Problemen begleitet. So wanderten viele Bewohner ab, auch nach Übersee. Diese Lage änderten erst der Bahnanschluss an die übrige Schweiz durch den Gotthardtunnel 1882, die einsetzende Industrialisierung im frühen 20.Jh., später der Tourismus und vor allem die Entwicklung zu einem bekannten Finanzplatz. 1996 erfolgte die Gründung der einzigen italienischsprachigen Universität der Schweiz. Heute sprechen 83% der Bevölkerung Italienisch und nur 8% Deutsch, etwa in der Walser-Gemeinde Bosco/Gurin.

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