Kulturlandschaftswandel in Südtirol seit 1950

Christine Wanker, Alexander Dusleag

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Geschichtliche Entwicklung der Gemeinde

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

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Panorama von Lengstein gegen Südosten (1920-1945) © Südtiroler Landesarchiv Bozen

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In der Mitte des 20. Jahrhunderts beschrieben Kiene u. Pichler (1950) die Verhältnisse auf dem Ritten. Maria Himmelfahrt war demnach eine Siedlung, die aus alten Bauernhöfen und privaten Sommersitzen der Bozener Adeligen und Bürger bestand. Entlang der Promenade von Oberbozen nach Klobenstein konnte man Lärchenwiesen und pilzreiche Wälder bewundern und Wolfsgruben war ein von Wäldern umrahmter Weiler mit wenigen Gehöften. Im gleichnamigen See bestand im Sommer die Möglichkeit zum Freibad. Klobenstein beschrieben sie als im Grünen verstreutes Dorf mit zahlreichen Hotels, Pensionen, Villen und Höfen. Die Fraktionen Oberbozen-Himmelfahrt, Wolfsgruben-Lichtenstern und Klobenstein-Lengmoos waren von Stadt und Fremdenverkehr beeinflusste Orte, während die restlichen Fraktionen der Gemeinde (Signat, Leitach-Unterplatten, Sill, Unterinn, Lengstein, Siffian, Atzwang, Maria Saal, Mittelberg, Rotwand, Wangen, Oberinn und Giessmann-Windlahn) rein bäuerliche Siedlungen bildeten.

Lengstein war gekennzeichnet durch verstreute Einzelhöfe und Giessmann bestand aus wenigen Berghöfen, die die Kirche umschlossen. Auf den Feldern, die unter dem höchsten Waldgürtel gelegen waren, erzeugten die Landwirte Roggen, Kartoffeln, Rüben und Kraut. Oberhalb der Waldflächen auf der Rittner Alpe, wurden jedes Jahr etwa 800 Stück Großvieh und etwa 200 Pferde aufgetrieben. Jeder Rittner Bauer hatte das Recht eine gewisse Zahl an Rindern, Pferden und Schafen aufzutreiben, da die Alm in Gemeindebesitz war. Die alpine Vegetation war recht dürftig, die Flora unterhalb der Waldgrenze hingegen reichhaltig (Kiene u. Pichler 1950).

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Klobenstein (1954-1956) Bearbeitung: Dusleag & Wanker; Datengrundlage: Autonome Provinz Bozen - Südtirol, Raumordnung

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Im Jahre 1951 lebten 4900 Menschen in der Gemeinde Ritten (Astat 2001). In etwa 50% der Erwerbstätigen arbeiteten in der Landwirtschaft und 25% im Handwerk. Die restlichen 25% arbeiteten im Fremdenverkehr, im Handel, im Dienstleistungssektor oder in der öffentlichen Verwaltung. (Raiffeisenkasse Ritten 1992, S. 130) An den Zahlen erkennt man, dass die Landwirtschaft auf dem Ritten in den 1950er Jahren eine große Bedeutung hatte. Neben dem Wald, der die größten Flächen einnahm, herrschte ein Gefüge aus Grün- und Ackerflächen. In den letzten 40 Jahren kam es dann zu einer Intensivierung der Landwirtschaft und das Ackerland wurde vollkommen von der Grünlandwirtschaft und in tieferen Langen von Reb-und Obstintensivanlagen verdrängt (Trojer 2004, S. 26). Ausschlaggebend für die Intensivierung war das Wasser. Der Bau von Trinkwasserleitungen und Bewässerungsanlagen wurde somit vorangetrieben. Das im Jahre 1977 gegründete Bodenverbesserungskonsortium hatte sich zum Ziel gesetzt, größere Projekte im Bereich der Landwirtschaft durchzuführen. Seither konnten Güterwege zu den Höfen, Trink- und Beregnungswasserleitungen und das Staubecken Schußmoos für Trink- und Beregnungswasser gebaut werden. (Raiffeisenkasse Ritten 1992, S. 85, 116)

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Wolfsgruben-See mit Kiefernwäldern auf dem Ritten (1902-1931) © Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abt. 14, Amt für audiovisuelle Medien, Fotograf Leo Bährendt

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Das Wasser wurde auch genutzt um Elektrizität zu gewinnen. Mit diesem Ziel wurde in den Jahren 1950-51 der Wangener Stausee am Emmersbach gebaut. (Mahlknecht 1998, S. 14) Die Handwerksbetriebe auf dem Ritten nutzen schon seit jeher die Wasserkraft und da es erst seit ca. 100 Jahren in den Berggebieten eine gewerbliche Nutzung der Elektroenergie gibt, befinden sich noch einige Betriebe entlang von Bächen und Wasserläufen, z.B. in der Gegend des Wolfsgruben Sees, dessen Wasser ausschließlich für gewerbliche Zwecke genutzt werden konnte. In den 1930er Jahren wurde das Elektrokonsortium in Unterinn gegründet. Von diesem Zeitpunkt an begannen die Bauern Mühlen am eigenen Hof zu errichten. Ähnlich war die Situation wahrscheinlich auch entlang des Zaberbaches in Klobenstein, des Stegerbaches und speziell des Köblbaches. (Raiffeisenkasse Ritten 1992, S. 138)

Im Jahre 1966 wurde die Zahnradstrecke von Bozen nach Maria Himmelfahrt aufgelassen. Dieser Abschnitt wurde durch eine Seilschwebebahn nach Oberbozen ersetzt, die im Jahre 1966 eröffnet wurde und zur Zeit selbst durch eine kapazitätsstärkere Umlaufbahn ersetzt wird. Die restliche Strecke der Bahn konnte gerettet werden. (Raiffeisenkasse Ritten 1992, S. 53; Demar et al. 2007, S. 11; Ritter 1969, S. 19)

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Panorama von Unterinn gegen Nordost (2007) © Christine Wanker

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Bis zur verkehrstechnischen Erschließung war der Ritten aufgrund der schwierigen Erreichbarkeit vor übermäßiger Verbauung und Zersiedelung verschont geblieben .(Mahlknecht 1998, S. 10) Doch dem Bau der Seilschwebebahn und der im Jahre 1971 fertiggestellten Rittnerstraße, folgte ein regelrechter Bauboom. Während in den früheren Jahren fast ausschließlich Oberbozen, Wolfsgruben und Klobenstein Ferienorte waren, wurden nun auch die anderen Rittner Weiler für den Fremdenverkehr erschlossen. Neben dem Bau von Privathäusern, kam es auch zur Realisierung von einigen öffentlichen Infrastrukturen. In den 1960er Jahren wurde in Klobenstein ein Schwimmbad errichtet, im Jahre 1970 ein Eisschnelllaufring und im Jahre 1980 ein Sportgebäude sowie ein Eisplatz. Zudem wurde das Rittner Horn Gebiet in den 1970er Jahren für den Wintersport erschlossen und seit 1989 gibt es eine Beschneiungsanlage. (Raiffeisenkasse Ritten 1992, S. 130-137)

Im Gebiet von Unterinn sind in den letzten Jahrzehnten mehrere Großbetriebe entstanden, die in der Zwischenzeit Spitzenpositionen in der jeweiligen Branche einnehmen und weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt sind. Weitere Handwerks- und Industriebetriebe haben sich in den zahlreichen Handwerkszonen der einzelnen Fraktionen der Gemeinde Ritten niedergelassen. (Raiffeisenkasse Ritten 1992, S. 140)

Die Auswirkungen der verkehrstechnischen Erschließung und des Baubooms spiegeln sich wie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit einer Verzögerung von zehn bis zwanzig Jahren, auch in der Einwohnerzahl wider. Während im Jahre 1971 4845 Menschen auf dem Ritten ansässig waren, waren es im Jahre 1981 bereits 5391 und zehn Jahre später 6101. Einen weiteren Zuwachs gab es bis in das Jahr 2001, wo 6993 Einwohner in der Gemeinde Ritten ansässig waren. (Astat 2001) Am 31. Dezember 2007 zählte die Gemeinde Ritten 7358 Einwohner. Seit einigen Jahren arbeiten mehr als 50 % der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor, 34 % im produzierenden Gewerbe und 16 % in der Landwirtschaft.

Trotz der radikalen Veränderungen, die seit der Mitte der 1960er Jahre stattgefunden haben, hat die Gemeinde Ritten bereits früh erkannt, dass die Kulturlandschaft geschützt werden muss. Aus diesem Grund wurde das gesamte Gemeindegebiet im Jahre 1973 durch den landschaftlichen Gebietsplan unter Schutz gestellt. Die Gemeinde Ritten hat somit als erstes Gebiet Südtirols einen Landschaftsschutzplan erhalten. (Mahlknecht 1998, S. 110)


Zusätzliche Information

Die geschichtliche Entwicklung der Gemeinde Ritten von den Anfängen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts kann hier eingesehen werden

© Universität Innsbruck | Impressum | Aktualisiert am: 22.12.2008

Fraktion

Eine Fraktion ist ein von der Gemeinde für Verwaltungszwecke definierter Teil des Gemeindegebietes. Eine Fraktion kann bewohnt oder unbewohnt sein. Die Bevölkerung einer bewohnten Fraktion ist die Summe der Bevölkerung der bewohnten Ortschaften und Weiler und der Bewohner der Einzelhäuser auf dem Gebiet der Fraktion.  Astat 2006c

Erwerbstätige

Personen mit 15 oder mehr Jahren aus der Wohnbevölkerung, welche selbstständig oder in einem Dienstverhältnis einer Tätigkeit nach gehen, durch die sie einen Ertrag oder eine Vergütung erhalten. Als erwerbstätig gelten auch jene, die ohne einen geregelten Arbeitsvertrag mit einem Familienmitglied mitarbeiten, welches eine selbstständige Tätigkeit ausübt (mithelfendes Familienmitglied).  Astat 2006b

Weiler

Es handelt sich dabei im Allgemeinen um eine Gruppe von angebauten oder nahe stehenden Häusern mit wenigstens fünf Haushalten, in denen jedoch keine Einrichtungen bzw. Dienste für die Allgemeinheit untergebracht sind. In Einzelfällen können Ortschaften oder Weiler aus Häusern bestehen, die auf dem Gebiet von zwei oder mehreren angrenzenden Gemeinden liegen; in diesem Fall bilden die Häusergruppen diesseits und jenseits der Gemeindegrenze aneinander angrenzende Ortschaften oder Weiler und können denselben Namen haben (z.B. die Ortschaft Kaltenbrunn zwischen den Gemeinden Montan und Truden).  Astat 2006c