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NUTS-3 Region Kaufbeuren (kreisfreie Stadt) (Deutschland)

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Steckbrief
Hauptort: Kaufbeuren679m
Höchste Erhebung: --m
Gemeinden1
Bevölkerung42183
Fläche40 km²
Bevölkerungsdichte1055 Einwohner/km²
>> Datenblatt Nuts-3 Kennzahlen
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Foto
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Grafiken
Höhenverteilung (Hilfe)
Corine Landbedeckung
Alterspyramide
 
NUTS-3 Nachbarregionen
Ostallgäu
 
Klimadiagramme nach Walther-Lieth
Kaufbeuren (716 m): ø 7.2 °C / Σ 1241mm
 

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Reste der historischen Stadtmauer von Kaufbeuren (©Verkehrsverein Kaufbeuren e.V.)
"Ich wurde zu Kaufbeuren geboren. Kein Wunder also, dass ich ein Optimist bin." - Diese Aussage über seine Geburtsstadt machte kein geringerer als Ludwig Ganghofer. Gut einhundert Jahre später ist weder der berühmte bayerische Heimatdichter vergessen noch die Lebensfreude verflogen.

Naturräumlich ist für die flächenmäßig drittkleinste alpine Nuts-3-Region die direkte Lage an der Wertach erwähnenswert, deren Name im Keltischen "die sich schnell vorwärts Bewegende" bedeutet. Sie entspringt im Oberallgäu und mündet nach einem rund 150km langen Lauf (außerhalb dieser Nuts-3-Region) in den Lech.

1,6ha des Stadtgebietes sind ausgewiesene und gepflegte Biotope. Die vielgliedrige Endmoränenlandschaft bietet hier ein Puzzle an verschieden exponierten Magerwiesen, Feucht- und Trockenflächen. Gerade die jahrhundertelange extensive Bewirtschaftung und Streunutzung der von Natur aus kargen Flächen schuf Raum für Orchideen und diverse andere, heute oft bedrohte Arten. Die entsprechende Pflege ist gegenwärtig auf ehrenamtliche Helfer übertragen, ohne die eine Verbuschung und ökologische Entwertung dieser Gebiete unvermeidbar wäre.

Die durchschnittlichen Jahrestemperaturen Kaufbeurens (716m) von 7,2°C sind für das bayerische Alpenvorland durchaus repräsentativ, die Niederschläge von 1.241mm liegen eher über dem Mittel. Ganz klar kommt im Klimadiagramm das sommerliche Niederschlagsmaximum zum Ausdruck.

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Schmuckindustrie von Neugablonz, aufgebaut von Sudetendeutschen Zuwanderern (©Verkehrsverein Kaufbeuren e.V.)
Die Bevölkerungsdichte der Stadt beträgt 1.055 Einwohner pro km², wobei diese seit Jahren stagnierende Zahlen ausweist. Ein Rückgang wird vor allem durch die geschichtlich bedingte Zuwanderung vieler russlanddeutscher Spätaussiedler in jüngerer Vergangenheit verhindert. Der Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung ist mittlerweile auf 12% angestiegen. Das erwirtschaftete BIP/Kopf liegt bei 27.681 und damit alpenweit auf erfreulichem 29.Rang. Die Arbeitslosigkeit ist mit 9% deutlich höher als auf dem Umland und nimmt eine der schlechtesten Quoten im Vergleich der alpinen Nuts-3-Regionen ein.

Der Zweite Sektor schafft gerade einmal 23% aller Arbeitsplätze. Die fünf wichtigsten Arbeitgeber sind hier - in absteigender Reihenfolge - Metallproduktion, -bearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen, Herstellung von elektrischen Geräten, Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten, Baugewerbe, Herstellung von Möbeln, Schmuck, Musikinstrumenten und Recycling sowie Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren. Der Dritte Sektor ist mit 76% der Stellen absolut dominierend. Gesundheits- und Sozialwesen, Handel und Instandsetzung, Öffentliche Verwaltung, Landesverteidigung und Sozialversicherung (Fliegerhorst), Immobilienwesen, Informatik, Forschung und Unternehmensdienstleistungen sowie Kredit- und Versicherungswesen bieten am meisten Beschäftigung.

Der erste bayerische private Gründer- und Technologiepark, der "Innova Allgäu Hightechpark", sowie das "Allgäu Messe Center" setzen ökonomische Akzente für die Zukunft. Die Nähe zu Augsburg und München ist diesbezüglich ebenfalls von Vorteil.

Als "Kreisfreie Stadt" im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben erfüllt sie in Form einer kommunalen Gebietskörperschaft ihre politisch-administrativen Aufgaben eigenständig. Wirtschaftsgeographisch hat sie, nach der Christallerschen Theorie der Zentralen Orte, die Funktion eines Mittelzentrums inne. Sie wartet also mit Güter-, Dienstleistungs- und Infrastrukturangeboten auf, die die umliegenden Unterzentren nicht abdecken. Beispiele hierfür wären das Klinikum Kaufbeuren-Ostallgäu, dessen Name bereits auf die regionale Funktion verweist, die höheren Schulen (Gymnasien, Fachoberschule) oder das Schwimm- und Freibad. Allerdings sind diese Funktionen nicht ganz so stark ausgeprägt wie es etwa für die Kreisfreie Stadt Rosenheim und die Kreisfreie Stadt Kempten im Allgäu der Fall ist.

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Im Tänzelfest wird die Geschichte der Stadt nachgestellt (©Tänzelfestverein e. V. Kaufbeuren)
Tourismus spielt in der Kreisstadt nur eine marginale Rolle, so beherbergen die acht Hotelbetriebe pro Jahr ungefähr 23.000 Gäste, vorwiegend Geschäftsleute aus dem Inland. Sportliche Möglichkeiten bietet die Stadt in vielen Facetten, im direkten Umland werden bei ausreichender Schneelage sogar Loipen gespurt und der leichte Skilift in Oberbeuren in Betrieb gesetzt. Sehenswürdigkeiten sind die Reste der historischen Stadtmauer, der Hexenturm (15.Jh.) oder das Rathaus (19.Jh.). Als mittelalterliches Wahrzeichen der Stadt gilt der hoch aufragende und noch immer bewohnte Fünfknopfturm (1420).

Die Gründungsgeschichte des bekannten Crescentiaklosters geht bis 1150 zurück. Es prägt das Bild der Altstadt bis heute und trägt den Geist des heiligen Franziskus mitten ins Stadtzentrum. Museale Erhellung erlauben Crescentia-Gedenkstätte, Stadtmuseum mit Ganghofer-Gedenkstätte, Kunsthaus Kaufbeuren oder das Puppentheatermuseum. Traditionell finden im Juli die Umzüge und Veranstaltungen des 12 Tage andauernden Tänzelfests statt. Am ältesten historischen Kinderfest Bayerns beteiligen sich an die 1.700 Kinder in mittelalterlichen Trachten. Sie stellen in einem unterhaltsamen Bilderbogen die Stadtgeschichte von der Karolinger- bis zur Biedermeierzeit dar.

Überlieferte Lebensart und sogar Mundart bewahrten auch die Gablonzer, die mit dem Haus der Industrie, dem Vertriebenen-Denkmal und an vielen weiteren Orten an ihre Herkunft erinnern. So erklärt das Isergebirgsmuseum die natur-, kultur- und wirtschaftsgeographischen Gegebenheiten des Isergebirges, es geht der Sudetenfrage nach und zeigt auch, wie sich in der beinahe aussichtslosen Nachkriegssituation durch harte Arbeit schließlich doch wieder eine neue Heimat hat aufbauen lassen.

Geschichtliches

Da die Nuts-3-Region vollkommen in das nördliche Ostallgäu eingebettet ist, wird gebeten, über die frühe Historie dort nachzulesen. Den Ursprung der heutigen Stadt Kaufbeuren bildete die Gründung eines fränkischen Königshofes um 740 n.Chr. Bereits damals übernahm dieser für den umgebenden Reichsgutbezirk gewisse zentrale Funktionen, und auch militärisch hatte der Ort nahe der Grenze zum Herzogtum Bayern Bedeutung. Landesaufbau und Christianisierung unter den Karolingern ließen ihn weiter erstarken. Im 11.Jh. übernahmen die Edelfreien von Beuren, Gefolgsleute der Welfen, das Sagen.

Ungefähr einhundert Jahre danach begannen die Staufer sich um die Entwicklung des Ortes zu bemühen. Rudolf von Habsburg beglaubigte 1286 den Titel der freien Reichsstadt. Trotz Belagerungen im 14.Jh. - unter anderem durch die Bayerischen Herzöge - sollte sich ihre positive Entwicklung bis Anfang des 16.Jhs. fortsetzen. Dann aber wurden die Unterschiede innerhalb der Feudalgesellschaft im unüberschaubar zersplitterten Schwaben zu groß. Die Bauern, die ihre schwere Arbeit unter teils erbärmlichen Zuständen verrichten mussten, begehrten gegenüber Adel und Klerus auf. Vergeblich, denn schon 1525 wurden sie geschlagen. Es folgten Reformation und 30-jähriger Krieg, die Kaufbeuren beinahe vollständig zerstörten.

Die Weberei erstarkte erneut bis Ende des 18.Jhs., als ihr die Neuerungen der industriellen Fertigung und die Auswirkungen der Französischen Revolution ein abruptes Ende bereiteten. Nach der Säkularisation wurde Kaufbeuren eine Stadt im Kurfürstentum Bayern, ab 1806 im Königreich Bayern. Im Ersten Weltkrieg war sie Garnisonsstadt. Die Phase des Zweiten Weltkriegs war zwar von den üblichen und doch immer wieder erschreckenden NSDAP-Repressalien geprägt, andererseits gab es hier durchaus einigen Widerstand gegen das Regime. Nordöstlich von Kaufbeuren lag in einem Waldstück eine Produktionsstätte der Dynamit AG, die Zwangsarbeiter aus den nahen Konzentrationslagern Riederloh I und II für die Munitionsherstellung ausbeutete (vergleiche Ostallgäu).

Auf diesem historisch schwer beladenen Gelände wurden nach 1946 über 18.000 vertriebene Sudetendeutsche aus dem böhmischen Gablonz angesiedelt - in dieser Größenordnung eine nationale Einmaligkeit. Sie gründeten das bis in die Gegenwart zum größten Stadtviertel Kaufbeurens angewachsene "Neugablonz", wodurch Kaufbeuren schließlich zur drittgrößten Stadt Schwabens heranwuchs . Die Neugablonzer pflegten die über viele Jahrhunderte perfektionierte Kunst des Glas-, Metall- und Schmuckhandwerks und bauten hier ihre weltbekannte Industrie wieder auf. Aus dem Nichts erstarkte der Ort zu einem bedeutenden deutschen Modeschmuckzentrum. Trotz fernöstlicher Konkurrenz existieren noch heute über 100 Betriebe dieser Branche, die zusammen über 1.000 Mitarbeiter beschäftigen.

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